Falsche Strategie gegen Online-Piraterie

Urheberrecht muss sich Menschen anpassen

Für die heutigen Informationsmärkte habe das Recht seine Konfliktlösungs- und -vermeidungsfunktion weitgehend eingebüßt. Um gesellschaftlich überleben zu können, müsse sich das Urheberrecht deshalb den Menschen anpassen und nicht umgekehrt, resümiert Viktor Mayer-Schönberger.

Zu diesem Schluss kommt der Direktor des Information and Innovation Policy Research Centres an der National University of Singapore im Rahmen eines Vortrages auf der Generalversammlung des Verbandes Österreichischer Zeitungen (VÖZ). Die Kreativwirtschaft, die sich aufgrund der zunehmenden Online-Piraterie um ihren wirtschaftlichen Fortbestand sorgt, setze mit ihrem weltweit geführten Krieg gegen "Urheberrechtsterroristen" auf die falsche Strategie. "Es wird versucht, den Kontrollverlust, der durch die neuen Möglichkeiten des Internets entstanden ist, durch härtere Gesetze auszugleichen. Letztendlich kann aber auch ein perfektes Urheberrecht veraltete Geschäftsmodelle nicht vor dem Untergang bewahren", so Mayer-Schönberger.

Dem Rechtsexperten zufolge habe es die Medien- und Unterhaltungsbranche mit einer massiven Veränderung des Nutzerverhaltens in der digitalen Welt zu tun: "Die Informationskonsumenten haben sich rasend schnell an das Web gewöhnt, wo urheberrechtlich geschützte Inhalte einfach und schnell unautorisiert heruntergeladen werden können. Als Resultat findet sich heute Musik von mehreren 10.000 CDs auf einer einzigen Festplatte wieder. Dieser Anreiz bei Konsumenten, sich geschützte Inhalte illegal im Netz zu besorgen, nimmt weiter zu." Vor allem bei der jüngeren Generation sei diese Praxis mittlerweile verbreiteter denn je. Das tatsächliche Ausmaß der Bedrohung würden aktuelle Untersuchungen zeigen, die bestätigen, dass sich derzeit bereits mehr als die Hälfte der US-Teenager als Online-Piraten betätigen. "Das Urheberrecht hat auf den globalen Informationsmärkten mit nationalen Rechtsordnungen seine Durchsetzungsfähigkeit verloren. Das Ergebnis ist eine bevölkerungsweite Rechtsmissachtung", stellte Mayer-Schönberger fest.

Während die Konsumenten sich inzwischen aber nicht mehr vorstellen könnten, auf die Vorteile, die ihnen das Web in puncto Inhaltserwerb bietet, zu verzichten, setze die Industrie vor allem auf eine Verschärfung des rechtlichen Schutzes für geistiges Eigentum. "Ein Großteil sieht in härteren Gesetzen das beste Rezept für den Anti-Piraterie-Kampf. Doch der Eindruck täuscht. In Wirklichkeit führt das nur dazu, dass sich die Bevölkerung noch stärker mit Füßen gegen das Urheberrecht stemmt", betonte Mayer-Schönberger. Dass diese Strategie nicht den gewünschten Erfolg bringt, habe das Beispiel der Musikindustrie gezeigt, die über ein halbes Jahrzehnt hinweg Nutzer wegen Urheberrechtsverstößen verklagt hat. "Diese Gerichtsverfahren haben den Industrievertretern nichts als hohe Kosten beschert. Ein generalpräventiver Effekt ist bislang ausgeblieben", merkte Mayer-Schönberger an.

Auch den Einsatz von technischen Restriktionsmaßnahmen sieht der Rechtsexperte überaus skeptisch. "Digital Rights Management (DRM) bedeutet, dass die Technik vorgibt, welches Verhalten den Usern erlaubt ist. Damit dieses Konzept funktionieren kann, müssen die Konsumenten aber bereit sein, sich auf diese Art der Verhaltenskontrolle einzulassen. Die Praxis zeigt jedoch, dass die Marktakzeptanz von DRM bislang fehlt und die Nutzer dem Einsatz derartigere Kopierschutzmaßnahmen zunehmend kritisch gegenüberstehen", so Mayer-Schönberger abschließend. (pte/cvi)