ttt: Kopierschutz für Musik-CDs vorerst gescheitert

Vor tausend Tagen: Der Kopierschutz "Cactus Data Shield", mit dem BMG Entertainment seit Anfang der Woche eine CD ausliefert, ist vorerst gescheitert. Ab nächster Woche wird die CD der Band "HIM" nur noch ohne den Schutz, der ohnehin leicht zu umgehen ist, erscheinen. Grund: Auf vielen CD-Playern laufen die geschützten CDs nicht.

Diese Meldung erschien bei tecCHANNEL vor 1000 Tagen am 27.1.2000. Mit unserem Service "Tausend Tage tecCHANNEL" (ttt) weisen wir noch einmal auf wichtige Entwicklungen der Vergangenheit hin und prüfen, was aus hochgelobten Trends und Technologien geworden ist.

Seit dem 24. 1. 2000 steht das Album "Razorblade Romance" der finnischen Rockband HIM, damals mit "Join Me"" auf Platz 1 der Singlecharts, in den Plattenläden. Neben der für den 31.1. 2000 geplanten CD "My Private War" von Philip Boa ist die HIM-CD das erste Album, das gegen das Auslesen mit CD-Laufwerken am PC geschützt ist. Auch das einfache Erstellen von MP3-Dateien wird damit unmöglich.

Das Verfahren "Cactus Data Shield" stammt von der israelischen Firma Midbar und dem CD-Hersteller Sonopress. Es basiert unter anderem auf einem manipulierten Inhaltsverzeichnis der CD. Im tecChannel-Labor ließ sich die Limited Edition von "Razorblade Romance" mit 13 Tracks nicht ohne weiteres duplizieren - zwölf Tracks konnten jedoch einwandfrei ausgelesen werden. Mit den meisten Hard- und Software-Kombinationen ist jedoch ein Kopieren der CD am PC nicht möglich. Auch das reine Abspielen der CD auf einem PC klappt nur 28 Sekunden lang.

Eine Kopie über den Digitalausgang eines CD-Players auf einen HiFi-CD-Recorder, ein MiniDisc-Deck oder DAT-Recorder ist jedoch möglich. BMG erklärte zusätzlich noch, dass die HiFi-CD-Kopierer von Philips mit zwei Laufwerken den Cactus Data Shield ignorieren.

Diesem schwachen Schutz stehen Kompatibilitätsprobleme mit Audio-CD-Playern gegenüber. Von nicht erkannten CDs bis zum Abbrechen nach 28 Sekunden reichen die Problemberichte. Laut BMG ist die Rücklaufquote der HIM-CD in den Geschäften übermäßig hoch, sodass die nächste Auflage in der kommenden Woche ohne Schutz verkauft wird. Die Kunden könnten die CD dann umtauschen, teilte BMG tecChannel auf Anfrage mit. Aufgeben will man das Verfahren jedoch nicht, sondern "weiterhin perfektionieren", so eine Pressemitteilung des Unternehmens.

Ob man eine der geschützten CDs erwischt hat, merkt man erst nach dem Auspacken: Der Warnhinweis steht nur auf der CD selbst, nicht auf der Verpackung. Die unscheinbare und "normal" aussehende CD hat nach Aussage des Rechtsanwalts Christian Czirnich durch die Abweichung vom Standard einen erheblichen Mangel, sodass Käufer ihr Geld zurückfordern können. (nie)

Dieser Meldung folgte ein ausführlicher Bericht über den Kopierschutz, der auf breites Medieninteresse stieß. Die Musikindustrie dachte ein gutes Jahr über die Problematik nach und startete Mitte 2001 eine neue Offensive - jetzt gleich mit mehreren Verfahren, die wir hier gewürdigt haben. Inzwischen ist die Situation bizarr: PC-Zeitschriften geben (völlig legal) monatlich Anleitungen zum Kopieren von Audio-CDs, und neuere CD-Brenner ignorieren manche Verfahren ab Werk. Im Kampf gegen sinkende Umsätze infiltrieren die Plattenfirmen inzwischen sogar Tauschbörsen mit verfälschten Songs. An der Preis- und Repertoire-Politik der Musikindustrie hat sich jedoch noch nichts geändert. Immerhin gibt es zumindest ein Universal-Logo für Audio-CDs, die vom Standard abweichen. (nie)