Vor dem EU-Gipfel

Telekom-Branche ringt mit Brüssel

Seit Jahren streitet die IT-Industrie mit der EU-Kommission. Der Brüsseler Kostendruck im Sinne des Verbrauchers schade den Firmen, so die Klage. Nun soll der EU-Gipfel über den Zustand der Branche beraten.

Wenn am Vorabend eines EU-Gipfels ein Verbandschef über den Kurznachrichtendienst Twitter Spitzenpolitiker anschreibt, hat das einen Beigeschmack von Verzweiflung. Und doch gab sich Luigi Gambardella, der Vorsitzende der Vereinigung europäischer Telekom-Netzbetreiber ETNO, am Dienstagabend die Blöße: Er adressierte seine Forderungen am Dienstagabend per Twitter an Gipfelchef Herman Van Rompuy, EU-Kommissionschef José Manuel Barroso und die zuständige EU-Kommissarin für Digitales, Neelie Kroes.

Denn der Zustand der europäischen Internetbranche ist Thema beim Treffen der europäischen Staats- und Regierungschefs am Donnerstag und Freitag und damit Chefsache. Entwürfen zufolge wollen die Gipfelteilnehmer die rasche Umsetzung aktueller Gesetzesvorhaben anmahnen. Dabei geht es zum Beispiel um den Ausbau schneller Internetleitungen oder einheitlichere Regeln für die staatliche Vergabe rarer Funkfrequenzen.

Doch der Konflikt zwischen Politik und Industrie wird weiter schwelen. Die EU-Kommission und die Telekom-Branche haben stark unterschiedliche Vorstellungen vom richtigen Weg in die Zukunft. Während die EU-Behörde Internet und Handys vor allem günstig und verfügbar machen will, sträubt sich die Branche gegen die Auflagen. Der Brüsseler Kostendruck im Namen des Verbraucherschutzes blute die Unternehmen finanziell aus, so die Klage.

Wettbewerbskommissar Joaquín Almunia ist nach Ansicht der Branche nicht flexibel genug bei der Wettbewerbs-Aufsicht. Internet-Kommissarin Kroes will den Roaming-Gebühren bei Telefonaten im europäischen Ausland bis spätestens 2016 endgültig den Garaus machen. Laut Diplomaten ist Roaming jedoch kein Debattenthema auf dem Gipfel.

Dabei sind sich beide Seiten einig, dass europäische Firmen im globalen Wettbewerb mit US-Giganten wie Amazon oder Google aufholen müssen. Und Kroes wird nicht müde, die ungenutzten Potenziale des Internets für Bürger und Wirtschaft herauszustreichen.

"Das Internet schafft fünf neue Jobs für jede zwei, die verloren gehen", sagte die EU-Kommissarin diese Woche bei einer Rede in Rom. "Ein Zuwachs von zehn Prozentpunkten beim Breitband kurbelt das (Wirtschafts-)Wachstum um 1 bis 1,5 Prozent an. Und bald werden 90 Prozent aller Jobs digitale Fertigkeiten erfordern."

Nur weniger als zehn Prozent der weltweiten Umsätze in der Informations- und Telekommunikationsbranche würden in Europa erwirtschaftet, hieß es jüngst in einer Analyse der Deutschen Telekom. Der Brüsseler Druck auf die Preise in den vergangenen Jahren habe zu einem teils ruinösem Wettbewerb geführt. Es werde "dogmatisch dem obersten Ziel des Preiswettbewerbs zugunsten des Verbrauchers gefolgt". Die Anbieter wollen unter anderem, dass die Wettbewerbshüter in einzelnen Ländern eine stärkere Konsolidierung zulassen. (dpa/mje)