Strich durch die Rechnung

Noch im letzten Jahr rechnete der Bundesfinanzminister vor, wie der Bundeshaushalt von der Liberalisierung des TK-Marktes profitieren könne: Er wollte für jede Netz- und Sprachlizenz jeweils 100 Millionen Mark erheben und so bis zu drei Milliarden Mark kassieren. Zwar sind die Behörden "bescheidener" geworden: zuletzt war die Rede von unter 10 Millionen Mark. Doch die im März verabschiedete EU-Lizenzrichtlinie macht dem Minister endgültig einen Strich durch die Rechnung.

Von: Dr. Michael Esser-Wellié

Die leider etwas komplizierte Rechtslage in Deutschland für die Erhebung der Gebühren ermöglichte bisher das für alle Carrier wenig befriedigende Summenspiel der Behörden: Das Telekommunikationsgesetz (TKG) verweist nur auf das sogenannte Verwaltungskostengesetz und darauf, daß die Einzelheiten in einer Gebührenverordnung niedergelegt werden. Das Verwaltungskostengesetz wiederum sieht vor, daß sich die Höhe einer Gebühr nach dem Verwaltungsaufwand und - wichtig - nach dem "wirtschaftlichen" Wert bemißt. Zwischen diesem wirtschaftlichen Wert und der Höhe der Gebühr muß ein "angemessenes Verhältnis" bestehen. Die bisher erteilten Netz- und Sprachlizenzen (der Klassen 3 und 4) enthalten nur den lapidaren Hinweis, daß die Festsetzung der Gebühr einem "gesonderten Bescheid" vorbehalten bleibt.

Deshalb arbeitet die Bundesregierung an dem Entwurf dieser im TKG vorgesehenen "Lizenz- und Frequenz-Gebührenverordnung" mit der unaussprechlichen Abkürzung LFGebV. Nach dem Entwurf von Januar 1997 sind die Netz- und Sprachlizenzen bis zu 40 Millionen Mark "wert". Das Rechenmodell zur Bestimmung dieser Höhe ist simpel: 80 Millionen Einwohner in Deutschland wurden mit 0,50 Mark multipliziert.

Es ist schon verwunderlich, woher die Bundesregierung die Einschätzung nimmt, daß die Lizenzen den von ihr ausgerechneten "Wert" haben. Ein Vergleich kann diesem Wert nicht zugrunde liegen, da etwa in England, den USA und Schweden weit niedrigere Lizenzgebühren gezahlt werden müssen. Völlig unverständlich ist weiter, daß die Bundesregierung bei einer Lizenz für die Übermittlung von Rundfunksignalen von einem deutlich geringeren wirtschaftlichen Wert ausgeht als bei einem Festnetz: nämlich nur bis zu einer Million Mark für eine bundesweite Rundfunklizenz. Das entspricht einem 40stel der für die herkömmliche TK-Netzlizenz vorgesehenen Gebühr. Abgesehen davon, daß diese Ungleichbehandlung kaum nachzuvollziehen ist, zeigt sie, daß die zuständigen Beamten die zukünftige Entwicklung der Netze offenbar nicht erkennen wollen. Sie können sowohl für Rundfunk- wie auch für herkömmlichen TK-Verkehr genutzt werden.