Software sorgt für Schussfahrt bei der Materialoptimierung

Ein Team des Fraunhofer-Instituts für Werkstoffmechanik IWM hat jetzt einen Algorithmus in den USA zum Patent angemeldet. Er soll die Simulation des Verhaltens von Materialien am Rechner verbessern.

Die Software mit dem Kurznamen FIRE (Fast Inertial Relaxation Engine) könne praktisch jedes mathematische Werkstoffmodell optimieren – und das dreimal schneller und wesentlich genauer als etablierte Verfahren. Das sagen jedenfalls Projektleiter Michael Moseler und IWM-Leiter Peter Gumbsch.

Zweieinhalb Jahre haben die beiden Forscher mit ihrem Team an der Entwicklung des Algorithmus gearbeitet. Jetzt hat die renommierte Zeitschrift "Physical Review Letters" einen Beitrag zu FIRE veröffentlicht. Bereits im September 2006 hätte die Software auf einer großen Internationalen Konferenz der Materialmodellierer großes Aufsehen erregt, so das IWM. Experten aus aller Welt waren zusammen gekommen, um die mathematische Beschreibung von Werkstoffen weiter zu entwickeln. Ziel war es, deren Verhalten als Bauteil noch präziser vorauszuberechnen.

Der Algorithmus des IWM beantwortet die Frage, was zu tun ist, um ein beliebiges Werkstoffmodell zu optimieren. „Ein Werkstoffmodell, mit dem das Verhalten eines Bauteils errechnet wird, beschreibt, wie die Energie des Materials von dessen inneren Freiheitsgraden abhängt“, erklärt Michael Moseler.

Daraus ergebe sich zum Beispiel, wie viel oder wie wenig Energie für eine bestimmte Anordnung der Atome in den Molekülen nötig sei. „Die Natur sucht immer den Zustand der niedrigsten Energie. Das muss das Modell im Grunde nachmachen: Es muss schauen, wie ein Material auf Belastung reagiert, wie es sich verformt oder gar bricht – um eben Spannungen oder Druck abzubauen oder aufzunehmen und wieder einen energetisch günstigen Zustand zu erreichen.“

„Unser Algorithmus findet diesen Zustand extrem schnell und zuverlässig und hilft damit, ein Modell beziehungsweise seine Vorhersage und die Wirklichkeit noch näher zueinander zu bringen" ergänzt Peter Gumbsch.

Die beiden Wissenschaftler vergleichen die Leistung des Algorithmus mit einem Skifahrer, der im Nebel die schnellste Route ins Tal sucht – also zum energetisch tiefsten und damit günstigsten Zustand. Bei der Schussfahrt behält er aber immer auch die Geländeentwicklung im Auge und korrigiert sogleich, wenn es bergauf geht.

Moseler schränkt den Vergleich aber ein: „Der Skifahrer hat auf der zweidimensionalen Fläche ja nur wenige Freiheitsgrade, also Entscheidungsmöglichkeiten. Wenn wir beispielsweise die Struktur eines erhitzten Kupferkorns nach dem Abkühlen berechnen, haben wir es mit Millionen bis Milliarden Freiheitsgraden zu tun.“

Der Algorithmus trage dazu bei, dass ein Energieminimum nicht erst nach Tagen, sondern bereits in wenigen Stunden gefunden wird – wobei herkömmliche Algorithmen sogar in einigen wichtigen Fällen ergebnislos abbrachen. Die Software in ein Materialmodell einzubauen, sei ebenfalls innerhalb weniger Stunden möglich. „Auch da sind wir besser als die bisherigen Verfahren“, sagt Peter Gumbsch.