Software bewertet Schüleraufsätze

Für Computer ist es bis heute fast unmöglich, die menschliche Sprache zu verstehen. In der Regel scheitern sie selbst bei einfachsten Sätzen an der richtigen Interpretation. Mit einem Programm, das Psychologen der Universität Würzburg entwickelt haben, könnte sich das ändern.

„Wir haben den Rechner zu unterschiedlichen Fachgebieten mit einer großen Menge an Texten gefüttert", erklärt Dr. Wolfgang Lenhard vom Lehrstuhl für Psychologie IV an der Uni Würzburg die Vorgehensweise. Mindestens fünf Millionen Wörter muss die Maschine aufnehmen, bevor sie mit dem „Verdauen“ beginnen kann. „Das System wertet dann statistisch aus, welche Wörter häufig und welche selten gemeinsam vorkommen“.

Anschließend berechnet es die inhaltliche Verwandtschaft verschiedener Wörter. Mit diesem Wissen ist es in der Lage, die Ähnlichkeit ganzer Texte zu bewerten oder Fragen zu beantworten. In einem Wissenstest über Tiere gab das Würzburger Programm beispielsweise innerhalb weniger Millisekunden in bis zu 97 Prozent der Fälle die korrekte Antwort. Damit schnitt es wesentlich besser ab als die besten Gymnasiasten.

In Schule und Hochschule könnte das Programm mehrere Aufgaben übernehmen. Wenn beispielsweise ein Schüler einen Aufsatz schreibt, kann es berechnen, wie gut dieser mit einer Musterlösung übereinstimmt. Es könnte dem Schüler sodann Hinweise geben, welche Inhalte noch fehlen. Im Prinzip könnte der Computer auch gleich die Note vergeben. Bei Tests mit den Vordiplomsklausuren Würzburger Psychologiestudenten habe sich jedenfalls gezeigt, dass der Rechner praktisch genauso verlässlich wie der Mensch bewerte. Die Verarbeitung geschieht aber natürlich bedeutend schneller.

„In der Schule liegt sein Vorteil vor allem darin, dass jeder einzelne Schüler sofort Rückmeldung zu seinem Aufsatz erhält und diesen verbessern kann. Er muss nicht erst einige Tage auf die Korrektur durch den Lehrer warten.“ Richtig eingesetzt kann die Software somit Schülern dabei helfen, Texte zu verstehen und ihre Inhalte wiederzugeben. In diesem Bereich hat laut Pisa-Studie immerhin ein Viertel der 15-Jährigen große Probleme.

An den Unis könnte sich das Programm als „Hochschulassistenzsystem“ betätigen. „Wenn in einer Übung 400 Studierende einen Kurztest mit drei Aufgaben bearbeiten sollen, liefert das Programm binnen weniger Sekunden die Auswertung“, sagt Lenhard. Dies könnte in naher Zukunft große Bedeutung bekommen, wenn durch die Einführung von Bachelor und Master sehr viel mehr Leistungen zu bewerten sein werden.

In den USA werden ähnliche Computersysteme bereits erfolgreich in der Schule eingesetzt. In Deutschland ist das Projekt hingegen bislang einzigartig. Die Würzburger Forscher wollen deshalb ihr System ab dem nächsten Frühjahr und in den darauf folgenden Jahren in Schulen testen. Schwerpunkt werden Untersuchungen in der 5. bis 8. Klasse der Haupt- und Realschule sowie des Gymnasiums sein. Hierfür suchen die Psychologen noch Schulen, die an einem solchen Forschungsprojekt teilnehmen wollen. (Detlef Scholz)