Software als virtueller Schneider

Das Fraunhofer Institut für grafische Datenverarbeitung und der deutsche CAD/CAM-Hersteller Assyst-Bullmer haben ein Simulationsprogramm für die Modebranche entwickelt. Damit lassen sich zweidimensionale digitale Schnittmuster auf Knopfdruck dreidimensional darstellen.

Schnittbilder der Bekleidungshersteller entstehen heute am Rechner. Mit CAD-Programmen wandeln Modedesigner neue Kollektionen in Schnittmuster um. Anschließend schicken sie die Daten auf Cutter-Maschinen, die die Teile automatisch ausschneiden. Dann aber geht es meist in Handarbeit weiter. Erst wenn Schneider die Einzelteile vernäht haben, stellt sich heraus, ob der Entwurf tatsächlich gut am Körper sitzt. Bis das Modell perfekt ist, sind oft mehrere Verbesserungen des CAD-Entwurfs nötig. Das ist eine zeitraubende Methode, da für jede Änderung ein neuer Prototyp genäht werden muss.

Entwickler vom Fraunhofer IGD können den Entwurfsprozess nun deutlich beschleunigen. Gemeinsam mit dem CAD/CAM-Hersteller Assyst-Bullmer haben die Forscher eine Software entwickelt, die zweidimensionale digitale Schnittmuster auf Knopfdruck dreidimensional darstellt. „Es gibt zwar schon lange Programme, mit denen man Kleidung in 3-D betrachten kann“, so IGD-Abteilungsleiter Dr.-Ing. Jörn Kohlhammer. „Ob neue Entwürfe die ideale Passform haben, verraten diese jedoch nur durch zeitaufwändige Vorberechnungen.“

Die neue Software aus dem IGD ist interaktiv. Per Cursor kann das Kleidungsstück am Körper einer virtuellen Person zurechtgezupft werden, ganz so, wie es der Schneider bei einer realen Anprobe macht. Neu ist auch, dass Änderungen am zweidimensionalen Schnittmuster direkt im 3D-Bild dargestellt werden können. Die Anzahl der tatsächlich genähten Prototypen lässt sich so deutlich reduzieren.

Teil der neuen Simulations-Software ist eine Materialdatenbank. Anhand vieler Parameter werden die Stoffe physikalisch beschrieben - beispielsweise, wie stark das Material am Körper reibt, wie sich die Schwerkraft auswirkt oder wie leicht sich der Stoff deformiert. Die Software visualisiert, wie sich die verwendeten Parameter auf das Verhalten des Stoffes am Körper auswirken. Die Simulation zeigt sogar, wo das Kleidungsstück zwickt und ob es eng oder locker am Körper anliegt.

Assyst-Bullmer wird seine etablierten, zweidimensionalen CAD-Programme jetzt um die neue 3D-Funktionalität erweitern. Kohlhammer geht davon aus, dass dadurch die Position der Firma im harten Wettbewerb der internationalen Bekleidungsindustrie gestärkt wird. (Detlef Scholz)