Siegertyp

Gigabit-Ethernet? ATM? Oder doch lieber Fast Ethernet? Wer sich nicht festlegen kann oder will, mußte bisher lange nach einem geeigneten Switch suchen. Der ESX-3000 von Fore Systems bringt sämtliche Netztechniken unter einen Hut. Wir haben das Gerät in einem ATM-Umfeld getestet.

Von: Herbert Almus, Christoph Hammerschmidt

In den acht Steckplätzen des modular aufgebauten Geräts lassen sich Einschübe für verschiedene LAN-Techniken beliebig mischen - etwa ATM in diversen Bandbreiten mit Fast Ethernet und Gigabit-Ethernet. Im Moment kann der Anwender diese Flexibilität allerdings noch nicht voll nutzen: Zwar sollen schon bald neben den ATM-Einschüben weitere Boards auf den Markt kommen; als erstes ist für den September ein Einschub mit 24 10/100-MBit/s-Ethernet-Ports vorgesehen. Zur Zeit sind aber lediglich ATM-Einschübe erhältlich. Unser Testgerät war bestückt mit einem Einschub mit 16STM-1-Ports für UTP-5-Verkabelung, einem Einschub mit zwölf OC-3-Ports für Multimode-Glasfaser und einem Einschub mit vier OC-12c-Ports, ebenfalls für Multimode-Glasfaser. Daher konnten wir zunächst nur Funktionen testen, die in einem ATM-Umfeld zum Tragen kommen. Drei Aspekte sind für den praktischen Einsatz besonders wichtig:

- Leistungsfähigkeit der Signalisierung. Das betrifft vor allem die Frage, wie viele Verbindungen der Switch gleichzeitig bewältigt (Call Capacity) wie schnell er Verbindungen auf- und abbaut (Peak Call Rate).

- Leistungsparameter für Datenströme mit konstanter Bitrate. In diesen Bereich fällt auch die Messung der Übertragungszeitschwankungen (Cell Delay Variation, auch Jitter genannt).

- Traffic Management. Lastverhalten und Umgang mit Überlast sowie Möglichkeiten zur Verkehrssteuerung.

Call Capacity: Praktisch unlimitiert

Um die Peak Call Rate zu ermitteln, ist es üblich, virtuelle Verbindungen aufzubauen und danach sofort wieder abzubauen. Das mag etwas praxisfremd klingen, hat aber einen guten Grund: Läßt man die Verbindungen bestehen, so ist die Gesamtzahl der möglichen Verbindungen des Switches (Call Capacity) meist schon erreicht, bevor die Peak Call Rate in Sichtweite kommt. Limitierender Faktor dabei ist meist die Zahl der Verbindungen, die gleichzeitig pro Port möglich sind.

Der ESX-3000 kann in der gemessenen Konfiguration bis zu 373 Verbindungen pro Sekunde etablieren, gemessen bei bidirektionalem Aufbau zwischen jeweils zwei ATM-Ports. Immer noch 269 Verbindungen sind bei voll vermaschter Arbeitsweise mit je vier Ports zu schaffen, das heißt, wenn jeder Port versucht, zu jedem der anderen Ports eine Verbindung aufzubauen. Diese Werte sind als sehr gut zu bezeichnen. Beispielsweise hat gateway bei einem Vergleichstest von ATM-Switches (Ausgabe 3/99) als beste Peak Call Rate 253 Verbindungen ermittelt. Der Testsieger in dieser Disziplin kam übrigens auch damals von Fore.

Beim Call-Capacity-Test wird untersucht, wie viele Verbindungen ein Switch gleichzeitig über sämtliche Ports aufrecht erhalten kann. Dabei treten verschiedene limitierende Faktoren in Erscheinung: Einmal der verfügbare Adreßraum für die Virtual Channel Identifiers (VCIs), zum anderen die Anzahl der gleichzeitigen Verbindungen pro Port oder für das ganze Gerät. Die Vorgaben für beide Größen legt der Hersteller über den konstruktiven Aufwand fest, den er zu treiben bereit ist.

Der VCI-Adreßraum ist bei praktisch allen ATM-Switchen in bestimmten Bereichen konfigurierbar. Wir haben für unseren Test den maximalen Adreßraum eingestellt. Für den getesteten Switch gibt Fore einen Maximalwert von 6000 Verbindungen pro Port an. Unser Test zeigt, daß diese Angabe eher konservativ ist: Es gelang uns, pro Port 6110 Verbindungen gleichzeitig zu etablieren. Ob es sich um eine bidirektionale Verbindung zwischen jeweils zwei Ports handelte, eine Verbindung von einem Port zu drei anderen oder von drei Ports auf einen einzigen - der Wert von 6110 Verbindungen blieb immer konstant. Nur bei der Vermaschung von vier Ports ergab sich der doppelte Wert. Die ermittelte Call Capacity geht weit über das hinaus, was für den praktischen Betrieb erforderlich ist. Die Begrenzung auf 6000 beziehungsweise 6110 Verbindungen hat daher eher einen theoretischen Charakter; gegen diese Mauer wird der Anwender in der Praxis wohl kaum je fahren.

Unempfindlich gegen Überlast

Die ATM-Betriebsart "Constant Bit Rate" (CBR) ist für Multimedia-Daten prädestiniert, denn die Norm sieht für die in diesem Modus gesendeten Daten eine gleichbleibende Übertragungsdauer vor. In der Praxis verändern sich jedoch auch bei CBR-Datenströmen die zeitlichen Abstände zwischen den Datenpaketen auf ihrem Weg durch das Netz. Es entsteht Jitter, der sich beispielsweise bei der Übertragung akustischer Signale als Reduzierung der Tonqualität bemerkbar macht. Um die Eigenschaften unseres Prüflings zu ergründen, ließen wir den ESX-3000 einen CBR-Datenstrom durchschalten; gleichzeitig traktierten wir ihn mit weiteren Datenströmen gleicher oder niedrigerer Priorität. Die Messungen führten wir an der STM-1-Schnittstelle (155 MBit/s) durch.

Diese Disziplin meistert der ESX-3000 mit Bravour. Eine Referenzmessung ohne Beteiligung des Switches ergab am Meßgerät selbst eine "Cell Interarrival Time" (Ciat) zwischen 22 und 28 µs, wobei die überwiegende Anzahl der Zellen innerhalb eines Zeitfensters von 25 bis 26 µs liegt. Beim Versand über den Switch verbreitert sich der Ciat-Streubereich nur minimal. Die Werte liegen je nach Messung zwischen 20 und 29 µs (Bild. 2). Nur bei einer Messung, die dem Switch neben dem Multiplexen der Zellströme auch das Verwerfen von Zellen abverlangt, erhöht sich der Streubereich auf Werte zwischen 20 und 32 µs. Und das, obwohl der Switch bei dieser letzten Messung mit einer ziemlich erdrückenden Überlast zu kämpfen hatte: Wir ließen einen UBR-Datenstrom (UBR = Unspecified Data Rate) in voller STM-4-Bandbreite (622 MBit/s) auf den STM-1-Port (155 MBit/s) los. Trotzdem nahm die Ciat nur um maximal 3 µs zu. Der Anwender kann aus diesem trockenen Zahlenmaterial die Gewißheit herausdestillieren, daß der ESX-3000 wichtige (CBR)-Datenströme auch wirklich vorrangig behandelt - selbst dann, wenn eine Flut von weniger wichtigen (UBR)-Daten über ihn hereinbricht.

Noch komplexer wird die Last, wenn ihm der Anwender dem Switch eine LAN-Emulation abverlangt. Um den ESX-3000 in dieser Situation zu prüfen, emulierten wir drei LANs. An der Messung waren je zwei STM-1-Ports und STM-4-Ports beteiligt. Jeder Port hatte drei Clients zu bedienen. Bei einer Auslastung von 50 Prozent verhielt sich der Switch im physikalischen Sinne ideal, das heißt, die übertragenen Datenströme entsprachen genau dem theoretischen Optimum. Bei Überlast wich der Switch in gewisser Weise vom Pfad der Theorie ab: Er bevorzugte eindeutig bestimmte Ports (Bild 3 ). Logisch ist das nicht unbedingt - es wäre zu erwarten und vielleicht auch wünschenswert, daß er bei allen Ports den gleichen Prozentsatz verwirft. Allerdings ist es auch kein Fehler im Sinne der ATM-Standards: UBR heißt nun einmal "Unspecified Bit Rate", die Norm enthält kein Gebot der Gleichbehandlung. Daß der ESX-3000-Anwender dann aber einfach nehmen muß, was ihm der Switch nach Gutdünken "genehmigt", ist wahrscheinlich auch nicht ganz im Sinne der ATM-Väter.

Der nächste Punkt in unserem Testkatalog betraf die Frage, wieweit der Switch die CBR-Verkehrsverträge einhält. Dazu sendete ein STM-4-Port fünf CBR-Datenströme mit jeweils 200 000 Zellen pro Sekunde (circa 84 MBit/s) an einen anderen STM-4-Port. Dazu kamen drei UBR-Ströme, die nach dem "Best-Effort"-Prinzip die volle restliche Bandbreite nutzen können. Gibt man nun einen weiteren UBR-Datenstrom mit 155 MBit/s hinzu, so erhält der Switch mehr Daten, als er weiterleiten kann. Unsere Messung belegt abermals ein korrektes Verhalten des Switches: Alle CBR-Datenströme werden ohne Abstriche zu ihrem Ziel befördert. Die UBR-Datenströme werden durch die Überlastsituation natürlich ausgebremst, erreichen aber mit reduzierter Übertragungsgeschwindigkeit ebenfalls ihren Bestimmungsort. Dabei fällt wiederum eine Ungleichbehandlung der verschiedenen Datenströme auf (Bild 4).

ATM überträgt größere Datenpakete bekanntlich in einer Folge von kleinen Zellen. Schon der Verlust einer einzigen Zelle führt dazu, daß das ursprüngliche Datenpaket vom Empfänger nicht mehr korrekt rekonstruiert werden kann und erneut gesendet werden muß. Bei Überlast kann ein schematisches Verwerfen von Zellen leicht dazu führen, daß alle Datenpakete betroffen sind. Der Durchsatz geht dann gegen Null.

"Early Packet Discarding" (EDP) ist eine Methode, mit derartigen Überlastsituationen sinnvoller umzugehen: Stellt der Switch fest, daß ein Ausgangspuffer eines Ports überzulaufen droht, so verwirft er gezielt komplette, ein Datenpaket darstellende Zellfolgen. Diese "intelligente" Entlastung des Netzes bei drohender Überlast führt im Optimalfall dazu, daß kein Zellverlust mehr auftritt: Alle Datenpakete, die als Zellfolge versandt werden, erreichen auch ohne Verlust den Empfänger. Nur die komplett verworfenen Datenpakete sind erneut zu übertragen.

Der ESX-3000 unterstützt EDP. Sobald wir diese in einer speziel-len Versuchsanordnung mit drei UBR-Datenströmen aktivierten, ging bei Vollast die Anzahl der fehlerhaft übertragenen Frames von mehr als 30 Prozent auf Null zurück. Sogar bei einer 25prozentigen Überlast durch zusätzliche CBR-Datenströme zeigte sich der Switch dank EDP von seiner besten Seite: Die UBR-Ströme mußten zwar Einbußen bei der Übertragungsrate hinnehmen, aber sie wurden nicht einfach kurzerhand abgeblockt. Dieses unscheinbare Detail kann in der Praxis sehr wichtig werden: Wird das Netzmanagement nach dem "In-Band"-Prinzip und als UBR-Datenstrom durchgeführt, so könnte die Überlast dazu führen, daß das Managementsystem komplett ausfällt, weil die zugehörigen Daten nicht mehr durchkommen. In einem solchen Fall erhält EDP diese lebenswichtige Funktion aufrecht.

Note eins, setzen!

Der ESX-3000 beeindruckt auf der ganzen Linie durch ausgezeichnete Daten. In puncto Geschwindigkeit des Verbindungsaufbaus (Peak Call Rate) erzielte er den besten Wert, den gateway jemals an einem ATM-Switch gemessen hat. Die Zahl der möglichen gleichzeitig aktiven Verbindungen (Call Capacity) übertrifft souverän alle praktischen Anforderungen. Neben einem optimalen Jitter-Verhalten und einem untadeligen Umgang mit vorrangig zu behandelnden (CBR)-Datenströmen zeigt der Switch hohe Standfestigkeit bei Überlast. Die außerordentliche große Flexibilität bei der Konfiguration sowie die Qualität der installierten Software sind ebenfalls positiv zu werten. Verblüfft hat uns lediglich der etwas eigenwillige Umgang mit UBR-Datenströmen unter Überlast. Einen Fehler im strengen Sinne stellt dieses Verhalten allerdings nicht dar. Ein erfahrener Benutzer wird die ungleichmäßige Verteilung der Datenströme möglicherweise sogar zur Optimierung seiner Anwendungen nutzen können.