Verunsicherung im Markt

Scheinselbständig: IT-Freiberufler im Visier der Rentenversicherung?

Die Verunsicherung im Markt ist spürbar, doch mit Zahlen belegen lässt sich nichts. Auch klare Kriterien gibt es keine, nur sehr persönliche Antworten. Zum Beispiel die eines Freiberuflers, der erzählt, wie er von der Rentenversicherung als selbständig anerkannt wurde.

Der Freiberufler möchte nicht namentlich genannt werden. Gerade wurden er und andere über einen Vermittler tätige IT-Freelancer aus den Büros des Auftraggebers abgezogen. Sie arbeiten weiter, aus ihrem eigenen Büro, dem Home office oder bei der Vermittlungsagentur. Mails, Telefonate und Meetings laufen nur noch über eine Kontaktperson beim Vermittler, damit Endkunde und IT-Freelancer nicht mehr direkt kommunizieren. Das kostet Zeit und Geld und ist ein Beispiel ist für die große Nervosität rund um das Thema Scheinselbständigkeit.

Das Thema Scheinselbständigkeit ist auch deswegen schwierig, weil klare rechtliche Regelungen fehlen.
Das Thema Scheinselbständigkeit ist auch deswegen schwierig, weil klare rechtliche Regelungen fehlen.
Foto: Hans-Joerg Nisch - Fotolia.com

Das Thema ist schwierig, weil eine klare gesetzliche Regelung fehlt: Der 1999 eingeführte Kriterienkatalog wurde 2003 wieder aus dem Gesetz gestrichen. Auch bei den Begrifflichkeiten muss man aufpassen, warnt Rechtsanwalt Benno Grunewald: "Zum einen geht es darum, ob jemand sozialversicherungspflichtig ist. Auch wenn er das nicht ist, kann er rentenversicherungspflichtig sein. Das sind die so genannten arbeitnehmerähnlichen Selbständigen." Streng genommen bezeichnet man nur die erste Gruppe als Scheinselbständige, doch häufig beziehen sich Diskussionen und Artikel auch auf arbeitnehmerähnliche Selbständige.

Verstärkte Prüfung von ITlern

Grunewald, der auf IT-Freiberufler spezialisiert ist, beobachtet seit zwei bis drei Jahren, " dass die Rentenversicherung verstärkt versucht, aus IT-Selbständigen Angestellte zu machen." Diese Einschätzung teilt Rechtsanwalt Michael Felser, der mehr als 100 freie IT-Berater beraten und vertreten hat, die bei der Telekom im Einsatz waren: "Die Rentenversicherung hat offensichtlich momentan die IT-Branche für sich entdeckt. Immer, wenn es entsprechende Urteile gibt, wird die Rentenversicherung mutiger und rollt eine ganze Branche auf." Eine Sprecherin der Deutschen Rentenversicherung Bund schreibt: "Schwerpunktmäßige Arbeitgeberprüfungen in Bezug auf bestimmte Branchen führt der Betriebsprüfdienst der Deutschen Rentenversicherung Bund nicht durch." Vielmehr würden die Beschäftigungsverhältnisse von IT-Profis wie andere Beschäftigungsverhältnisse im Rahmen der turnusmäßigen, alle vier Jahre bei jedem Arbeitgeber stattfindenden Prüfungen betrachtet.

Daneben können Arbeitgeber und Freelancer selbst ein so genanntes Statusfeststellungsverfahren einleiten. 2011 wurden branchenübergreifend 34.500 freiwillige Anfragen bearbeitet und abgeschlossen, in 39 Prozent der Fälle wurde eine abhängige Beschäftigung angenommen. 2012 wurden von 29.500 Anfragen 41,7 Prozent als scheinselbständig beurteilt. 2013 lag die Scheinselbständigkeits-Quote schon bei 45,7 Prozent ( bei 29.200 Anfragen), ein Anstieg um 6,5 Prozent binnen zwei Jahren. Ob diese Quote auch auf die IT zutrifft, lässt sich nicht überprüfen. Branchenspezifische Zahlen erhebe man nicht, so die Rentenversicherung. Laut Rechtsanwalt Felser ist es "gerade bei ITlern fast unmöglich, dieses Verfahren durchzuführen und von der Rentenversicherung als selbständig anerkannt zu werden."