Programm macht Blindenschrift für Sehende lesbar

An der Hochschule Furtwangen wurde ein Programm zur Entschlüsselung der Blindenschrift, des Braillecodes, entwickelt.

Hintergrund dieser Entwicklung der HS Furtwangen ist die gesetzliche Vorgabe, dass alle Medikamentenpackungen auch durch den Braillecode gekennzeichnet werden müssen. Dies stellt die Qualitätskontrolle des Wareneingangs von Pharmaunternehmen vor erhebliche Probleme. Denn die Erhöhungen der Blindenschriftpunkte lassen sich zwar gut erfühlen, doch die Kontrolleure sind in der Regel der Blindenschrift nicht mächtig.

Medikamentenpackung mit Blindenschrift. Abb.: HS Furtwangen
Medikamentenpackung mit Blindenschrift. Abb.: HS Furtwangen
Foto: xyz xyz

Prof. Dr. Wolfgang Rülling und Prof. Dr. Reiner Schmid von der Fakultät Computer & Electrical Engineering (CEE) haben daher ein Programm entwickelt, das Blindenschrift mit einem handelsüblichen Scanner entschlüsselt. An der Entwicklung des Programms waren auch Studenten der CEE beteiligt. Der Scanner tastet den Braillecode auf einer Medikamentenpackung ab. Das Programm schreibt den Text in Klarschrift, liest ihn vor oder vergleicht ihn mit einem Solltext.

Durch die versetzte Anordnung der Lichtquelle und des Zeilensensors des Scanners bilden sich beim Scannen an einer Seite der Braillepunkte Schatten aus. Da die Blindenschriftpunkte halbkugelförmig ausgeprägt sind, haben diese Schatten ganz besondere Charakteristika. In einem mehrstufigen Bildverarbeitungsprozess lassen sich die charakteristischen Stellen vom Aufdruck der Packung isolieren.

Das Programm lokalisiert zunächst die einzelnen Braillepunkte und sucht dann gerade Linien, die durch möglichst viele Punkte laufen. Dabei entsteht eine Gitterstruktur, in der jeweils zwei mal drei Gitterpunkte zu einem Braillezeichen gehören. Die Anzahl und Anordnung der einzelnen Braillepunkte entspricht einem einzelnen Buchstaben oder Sonderzeichen. So lässt sich die Beschriftung der Medikamentenpackung zeichenweise aus dem Gitter ablesen. Wie bei einem Sternbild am Nachthimmel analysiert dieser Vorgang zunächst einzelne Punkte, um sie dann zu einem bekannten Muster zusammenzusetzen.

Da es in Zukunft immer mehr Medikamentenpackungen mit Braillebeschriftung geben wird, ist auch mit einer wachsenden Nachfrage nach solchen Testverfahren zu rechnen. Die Industrie habe sich bei Vorführungen jedenfalls sehr interessiert gezeigt. Für die Endkontrolle in der Druckerei und die Wareneingangskontrolle in der Pharmaindustrie sei dieses Softwareprogramm eine sehr flexible und preisgünstige Lösung. Denn es wird nur ein handelsüblicher Scanner benötigt. (dsc)