PC-gestützter Erwerb interkultureller Kompetenz

Interkulturelle Missverständnisse sind ein ernsthaftes wirtschaftliches Problem. US-Firmen verlieren deswegen Studien zufolge zwei Milliarden US-Dollar im Jahr. Deutsche und japanische Wissenschaftler entwickeln ein Modell für die automatische Generierung kulturell adäquaten nonverbalen Verhaltens virtueller Charaktere.

Nicht die unterschiedlichen Sprachen bilden die größte Barriere bei der Verständigung zwischen den Kulturen. Die meisten Missverständnisse entstehen vielmehr auf der nonverbalen Ebene. Wer einem ausländischen Geschäftspartner die Hand reicht, während dieser einem mit beiden Händen seine Visitenkarte entgegenhält, löst wahrscheinlich nur eine vorübergehende Irritation aus. Insgesamt handelt es sich bei solchen interkulturellen Verständigungsschwierigkeiten allerdings um ein wirtschaftlich höchst relevantes Problem: Gemäß Studien verlieren US-Firmen pro Jahr circa zwei Milliarden Dollar, weil Mitarbeiter vorzeitig Auslandseinsätze auf Grund interkultureller Probleme abbrechen.

Oft fehlt es am Verständnis der angemessenen Verhaltensweisen in der anderen Kultur. Das Sprachlehrbuch vermittelt zwar die richtigen Floskeln für die Begrüßung, aber was ist die angemessene Körpersprache? An dieser Stelle können virtuelle Charaktere weiterhelfen. In einer Simulationsumgebung kann das Verhalten in einer anderen Kultur in Ruhe erkundet werden, ohne dass es zu peinlichen Szenen kommt. Um das zu ermöglichen, müssen die Charaktere dynamisch auf das Verhalten des Benutzers reagieren können. Hier setzt das Projekt CUBE-G an. Es steht für "CUlture-adaptive BEhavior Generation for interactions with embodied conversational agents".

Angesiedelt ist es am Lehrstuhl für Multimedia-Konzepte und Anwendungen der Universität Augsburg. Ein transnationales Team aus deutschen und japanischen Wissenschaftlern entwickelt ein Modell für die automatische Generierung kulturell adäquaten, nonverbalen Verhaltens virtueller Charaktere. Dabei baut das Team zum einem auf sozialwissenschaftlichen Arbeiten auf. Zum anderen werden gezielt empirische Studien in Japan und Deutschland durchgeführt, um die notwendigen Daten zu sammeln.

Auf diese Weise werden die technischen Voraussetzungen für eine Simulationsumgebung geschaffen, in der ein spielerischer Erwerb interkultureller Kompetenz möglich wird. In einem ersten Schritt wurde bereits ein virtueller Biergarten entwickelt, der als Treffpunkt für virtuelle Charaktere und Benutzer dient. Die Interaktion mit den Charakteren ist dabei nicht auf Tastatur und Maus beschränkt. Vielmehr kommen neuartige Interaktionstechniken zum Einsatz, um eine natürlichere Interaktion möglich zu machen. So können die Gesten des Benutzers mit Hilfe von Beschleunigungssensoren erkannt werden, wie sie auch im neuen Controller von Nintendos WII-Konsole verwendet werden. Macht der Benutzer dann aus Unkenntnis eine beleidigende Geste, könnte dies beispielsweise zur Verärgerung des virtuellen Charakters führen, der sich daraufhin wütend entfernt. (Detlef Scholz)