Verwaltung des Internets

Neuordnung der Aufsicht übers Internet steht an

Der NSA-Skandal hat die Grundfeste des Internets erschüttert. Jetzt steht eine große Neuordnung an: Die USA geben die Aufsicht über die Internet-Verwaltung ICANN schrittweise ab. Wie sie künftig geregelt wird, ist aber noch völlig offen.

Die Verwalter des Internets stehen vor einer gewaltigen Herausforderung. Die Snowden-Enthüllungen haben die ausufernde Spionage der USA offengelegt und das Vertrauen in digitale Dienste erschüttert. Das wissen auch diejenigen, die den Verkehr im weltweiten Datennetz regeln. Sie treffen sich diese Woche in Brasilien, um über die Regeln im Internet zu beraten. Eine zentrale Frage: Welche Rolle sollen die USA in Zukunft spielen?

Darum dürfte es bei der zweitägigen "Net Mundial"-Konferenz heftige Diskussionen geben. Brasiliens Präsidentin Dilma Rousseff hatte das Treffen aus Ärger über die Spionageprogramme der NSA einberufen. Dort soll eine Art Manifest über die "Prinzipien der Internetaufsicht" verabschiedet werden. "Die Rechte, die die Menschen offline haben, müssen auch online geschützt werden", heißt es in einem Entwurf, der im Web veröffentlicht wurde. Dazu gehöre das Recht auf Privatsphäre. "Beliebige oder rechtswidrige Sammlung persönlicher Daten und Überwachung" soll vermieden werden. Den Menschen stehe ein gesetzlicher Schutz gegen solche Überwachung zu.

Noch lässt sich schwer sagen, welche Wirkung solche Vorgaben entfalten würden. "Es ist eine Absichtserklärung", sagte der FDP-Netzpolitiker Jimmy Schulz, der zu der Konferenz reist. Wie Verstöße gegen die Prinzipien geahndet werden könnten, ist unklar.

Dazu drängt eine technische Frage auf die Tagesordnung. Die USA haben angekündigt, dass sie eine wichtige Aufsichtsfunktion im Netz abgeben wollen. Noch ist offen, wer diese Rolle künftig übernehmen wird.

Es geht dabei um die Internet Corporation for Assigned Names and Numbers, kurz ICANN. Diese Non-Profit-Organisation verwaltet die Domain-Endungen im Web, von .de und .com bis hin zu neuen Endungen wie .jetzt oder .kaufen. Sie stand seit der Gründung 1998 unter der Schirmherrschaft des US-Handelsministeriums. Wegen dieser Abhängigkeit durfte die ICANN auch nicht eigenmächtig gravierende Änderungen an den Top-Level-Domains vornehmen, sondern musste die US-Telekommunikationsbehörde NTIA um eine Freigabe bitten. Mitte März kündigte die US-Regierung an, dass sie diese Rolle bis Herbst 2015 aufgeben werde.

Künftige Internet-Aufsicht

Die bisherige US-Dominanz war vielen Internet-Nationen schon länger ein Dorn im Auge. Doch ein Vorstoß Russlands und Chinas für stärkeren staatlichen Einfluss erschien vor allem der Internet-Wirtschaft als noch schlechtere Alternative und wurde 2012 abgewehrt. Nach den Snowden-Enthüllungen forderte jüngst aber auch die EU-Kommission eine Neuordnung der ICANN-Aufsicht. Die US-Regierung betonte jetzt, es sei von Beginn an geplant gewesen, dass ihre Aufseherrolle zeitlich befristet sein werde.

In Brasilien soll nun darüber nachgedacht werden, wer künftig die Internet-Verwaltung beaufsichtigt. "Wie stellt man sicher, dass die ICANN sich an ihre eigenen Regeln hält?" fragte die Wissenschaftlerin Jeanette Hofmann kürzlich bei einer Diskussionrunde in Berlin. Mehrere Wege seien denkbar: Entweder die Organisation beaufsichtigt sich sozusagen selbst. Oder eine Gruppe anderer Organisationen übernimmt diesen Job, sagte Hofmann. Auch bei der ICANN stellt man sich auf einen langen Prozess ein. "Es ist kompliziert, so viele verschiedene Positionen zusammenzubringen", sagt der europäische ICANN-Vertreter Nigel Hickson.

Möglich ist auch, dass die versammelten Staaten, Unternehmen und Aktivisten keine inhaltlichen Vorgaben machen. Sie könnten sich lediglich auf einen Fahrplan für die nächsten Entscheidungen festlegen. "Wenn man gar keine Einigkeit herstellen kann, wird das die Minimallösung", sagte Hofmann.

"Das sind dicke Bretter, die wir bohren", sagte auch der Beauftragte für Cyber-Außenpolitik im Auswärtigen Amt, Dirk Brengelmann. Er warb für "Geduld und Durchhaltevermögen". Die Konferenz in São Paulo sieht er als Ausgangspunkt einer Debatte, die danach weiter geführt werde. (dpa/mje)