Chance für IT-Mittelstand

Nach Spähskandal: Firmen suchen Sicherheit

Ob Microsoft, Apple oder Google - US-Geheimdienste greifen bei amerikanischen Konzernen Nutzerdaten ab. Das beunruhigt nicht nur Privatleute, sondern auch Firmen. Eine Chance für IT-Sicherheit "Made in Germany"?

Schon seit Jahren spionieren US-Geheimdienste großflächig das Internet aus. Microsoft, Facebook oder Google werden dieser Tage nicht müde zu betonen, dass NSA und Co. keine "Standleitungen" zu ihnen besäßen. Dahinter steckt auch die Sorge, das die Nutzer das Vertrauen verlieren könnten. Das wäre schädlich fürs Geschäft.

"Wir nutzen momentan noch einen amerikanischen Anbieter von Cloud-Dienstleistungen", sagt IT-Experte Rainer Glatz vom Maschinenbau-Verband VDMA in Frankfurt. "Da suchen wir nach einer deutschen Alternative." Derartige Gedanken machen sich momentan viele IT-Verantwortliche in Deutschland.

Beim sogenannten Cloud-Computing liegen Daten oder Programme in externen Rechenzentren statt im eigenen Hause. Viele dieser Rechenzentren stehen in den USA oder werden von US-Firmen betrieben. Den amerikanischen Geheimdiensten bietet sich damit ein Daten-Schlaraffenland vor der eigenen Haustür.

Dabei sind die Deutschen nicht erst seit den Enthüllungen über Prism und Co. skeptisch gegenüber neuen Internettechnologien. "Es gibt ganz sicher ein deutlich größeres Interesse am Thema Datenschutz und Datensicherheit", erklärte Thomas Kremer, der im Vorstand der Deutschen Telekom für den Bereich zuständig ist. Das habe sich durch den Überwachungsskandal noch verstärkt.

Genau hier wittern deutsche mittelständische IT-Firmen ein Geschäft. "Ich glaube, dass Deutschland durch diesen Skandal eine Riesenchance hat", sagt Oliver Grün, Vorstand des Bundesverbands IT-Mittelstand. Ein deutsches Facebook werde es wohl so bald nicht geben, schätzt er. Doch bei der Sicherheitstechnik könnten deutsche IT-Unternehmen punkten. "Das Thema Sicherheit "Made in Germany" könnte ein Exportschlager werden."

Einzelne Unternehmen hätten bereits von einer deutlich gestiegenen Nachfrage berichtet. Die Standorte von Rechenzentren in Deutschland seien ein Faktor dabei. Zwar könnten Daten auf ihrem Weg durchs Internet weiterhin in den Fängen von US-Diensten landen, räumt Grün ein. "Aber es macht einen Unterschied, ob jemand den ganzen Mailaccount scannen kann oder eine Nachricht."

Auch die Telekom prüft, ob es eine größere Nachfrage nach Angeboten gibt, bei denen Daten ausschließlich in Deutschland oder Europa verarbeitet werden. Schon jetzt können Unternehmenskunden das in ihren Verträgen festlegen.

Bei Microsoft können Unternehmenskunden ebenfalls bestimmen, dass ihre Daten ausschließlich in den beiden europäischen Rechenzentren in Irland und den Niederlanden gespeichert werden. Einen Standort in Deutschland schließt Landeschef Christian Illek aber aus - das würde zu teuer, sagte er kürzlich bei einem Besuch in New York.

Ohnehin kann Illek nach eigenem Bekunden keinen Vertrauensverlust bei seinen Kunden erkennen. "Wir haben keinen einzigen Deal wegen der Prism-Diskussion verloren." Nach Angaben von Microsofts Chefjustiziar Brad Smith hat der Konzern auch niemals Daten von Firmenkunden aus Gründen der "nationalen Sicherheit" herausgegeben.

Microsoft-Manager Illek warnte davor, bei aller Diskussion um Prism den Anschluss nicht zu verlieren: "Nur weil Deutschland eine andere Sicht hat, wird das Big Data und die Cloud nicht aufhalten." Der Wunsch nach Sicherheit könnte sogar zum Bumerang für hiesige IT-Anbieter werden: "Wenn die Kunden insgesamt weniger Vertrauen in neue Internet-basierte Dienste haben, trifft uns das natürlich auch", sagt Telekom-Mann Kremer.

Viele deutsche Firmen waren allerdings schon vorher vorsichtig. "Entscheidende Unternehmensdaten sind nicht in der Cloud und kommen nicht in die Cloud", sagt Wolfgang Bokämper, IT-Verantwortlicher bei Kolbus, einem Anbieter von Buchbindereimaschinen. "Für weniger sensible Daten ist es eigentlich egal, welchen Anbieter man nimmt." Im Internet werde nun einmal spioniert, nicht nur durch die USA. (dpa/mje)