Mittelstand braucht fertige Lösungen

Über ISDN-Wählleitungen tauscht die Neuberger Anlagen-Technik (NAT) in Dachau kostengünstig Daten mit ihren Niederlassungen aus. Nächster Schritt ist der Aufbau eines Intranet, in das auch Kunden und Lieferanten eingebunden werden. Ohne die Unterstützung der Partner aus dem Projekt "Der Mittelstand auf Bayerns Infobahn" hätte Geschäftsführer Karl Lorenz diesen Schritt nicht gewagt.

Von: Claudia E. Petrik

Gateway: Herr Lorenz, Sie sind gerade dabei, ein Intranet aufzubauen. Was hat Sie zu diesem Schritt bewogen?

Karl Lorenz: Die ursprüngliche Idee ist schon älter und hatte zum Ziel, Daten von dezentralen Stellen so schnell wie möglich in die Unternehmens-DV zu übertragen. Die Mehrzahl unserer Mitarbeiter ist mobil im Einsatz, entweder in langfristigen Projekten bei Großkunden wie BMW oder an Baustellen, die auf ein oder zwei Jahre befristet sind. Im Jahr wickeln wir etwa 200 große und 800 kleinere Projekte ab. In diesen Mini-Büros bei den Kunden fallen eine Menge Daten an, die in die zentrale DV integriert werden müssen. Dafür ist ein Intranet hervorragend geeignet. Doch bevor wir das aufbauen konnten, mußten unsere Niederlassungen in Regensburg und Dingolfing an die Zentrale angebunden werden, um Daten austauschen zu können. Dies geschah im Rahmen des Projektes "Der Mittelstand auf Bayerns Infobahn", das das Forschungsinstitut für Angewandte Software-Technologie e.V. mit Unterstützung der IHK München und der Industrie durchführte.

Gateway: Welche Erfahrungen haben Sie dabei gemacht?

Lorenz: Sehr gemischte. Auf der Suche nach der geeigneten Server-Hardware und der passenden Datenkommunikation haben wir uns mit der Fachterminologie der Anbieter herumgeschlagen, die von Abkürzungen nur so strotzt. Diese Sprache ist mittelstandsfeindlich und innovationshemmend. Völlig abgehoben war der Vorschlag, die Niederlassungen über Mietleitungen anzubinden, was monatlich 10 000 Mark gekostet hätte. Damit wäre das Projekt für uns beinahe gestorben. In einem der Projektgespräche kamen wir dann auf die Idee mit den ISDN-Wählleitungen. Wenn wir von den Sponsoren des Pilotprojektes nicht so gut unterstützt worden wären, hätten wir wohl die Finger davon gelassen und wären heute nicht so weit.

Gateway: Wer hat Ihnen geholfen?

Lorenz:Am stärksten hat sich die Firma 4-Net engagiert: Sie haben uns bei der Auswahl und Installation der LAN-Server und beim Umstieg auf Netware 4.11 sowie der Implementierung von Groupwise unterstützt. Danach haben wir gemeinsam die lokalen Netze in Regensburg und Dingolfing modernisiert und über Multiprotokoll-Router von AVM angeschlossen. Novell schenkte uns Netware und Groupwise für jeweils 100 User, von AVM bekamen wir die Router, und Siemens hat uns eine Firewall zugesagt. Der Gesamtwert dieser Produkte und Dienstleistungen liegt bei über 100 000 Mark. Wir selbst haben mehr als 100 000 Mark in die Verkabelung, die LAN-Komponenten und die Server investiert.

Gateway: Herr Sturm, was war die Motivation von 4-Net für dieses Projekt?

Sturm: Uns hat interessiert, wo die Probleme des Mittelstandes liegen, denn wir haben bisher nur mit großen Unternehmen gearbeitet.

Lorenz: Ausschlaggebend für mich war ein Streitgespräch im Projektgremium zwischen dem Fast-Geschäftsführer Professor Haggenmüller und dem 4-Net-Geschäftsführer Bernhard Sturm zum Thema Innovation. Herr Sturm sagte dort, daß die Vernetzung von Standorten nichts Innovatives ist, sondern seit Jahren gängige Praxis - jedenfalls in Großunternehmen. Aber die dort vorhandenen Lösungen sind nicht eins zu eins auf den Mittelstand übertragbar. Ein kleines oder mittleres Unternehmen erstellt nun einmal kein Lastenheft, sondern muß arbeiten und Geld verdienen.

Sturm: Warum kann NAT nicht einfach damit leben, daß die Verbindung zwischen den drei Niederlassungen einen bestimmten Kostenaufwand verursacht?

Lorenz: Wir verdienen in der heutigen Zeit nur deswegen Geld, weil unser Controlling darauf achtet, daß die monatlichen Fixkosten so niedrig wie möglich sind. Da gehören die Telefonkosten dazu.

Sturm: Bei NAT haben wir zum ersten Mal Niederlassungen über ISDN-Wählleitungen angeschlossen. Wir wußten, daß das schwierig werden würde, weil bei früheren Versuchen jedesmal die Telefonkosten in die Höhe geschossen sind. Dies ist dadurch bedingt, daß die Systeme von sich aus über die Telefonleitung untereinander Daten austauschen. Daten für Login, für die Benutzerverwaltung im Rahmen der Netware Directory Services (NDS), für die zeitliche Synchronisation et cetera. Daher war es notwendig, die Router-Software in Rücksprache mit dem Hersteller immer wieder anzupassen, um die wesentlichen Daten herauszufiltern, die für den Netzwerkbetrieb unbedingt nötig sind. Alle weniger wichtigen Daten werden jetzt nachts zu den kostengünstigen Telefonzeiten übertragen.

Gateway: Herr Lorenz, wie hoch sind Ihre TK-Kosten heute?

Lorenz: Wir hatten hier in Dachau früher monatliche Telefonkosten von zirka 3500 Mark. Nach der Installation schnellten sie auf 8000 Mark hoch. Durch die Feinarbeiten konnten wir die Ausgaben für die Sprach- und Datenkommunikation auf rund 4300 Mark fast halbieren. Im Moment sind wir damit sehr zufrieden. Eine Vorgabe von uns war auch, daß man von einer Stelle aus das Netz verwalten kann, egal ob von Dachau, Dingolfing oder Regensburg aus. Außerdem ist unsere Verwaltungssoftware "Ultra M" im Menü der Benutzeroberfläche integriert. Auf diese Weise können unsere Mitarbeiter von jedem der drei Orte aus Tätigkeiten wie Datenpflege oder Rechnungsführung erledigen.

Gateway: Wie geht es jetzt weiter?

Lorenz: Der nächste Schritt ist der Aufbau des Intranet. Damit wollen wir den Mitarbeitern dezentral alle Informationen zur Verfügung stellen, die sie zur schnellen Projektabwicklung benötigen: Kalkulationen, Leistungsverzeichnisse, Projektstatus, Terminplanung, Personaleinsatz und so weiter. Umgekehrt sollen alle an den Stützpunkten und Baustellen anfallenden Daten wie Aufmaße oder Arbeitsstunden ohne Umwege in der DV weiterverarbeitet werden können. Außerdem wollen wir Leistungsverzeichnisse mit den Kunden und Lieferanten über das Intranet austauschen. Unser Kunde BMW hat sich sofort bereit erklärt, das mit uns zu testen. Einen unserer größten Lieferanten, die Firma Fröschl, wollen wir dafür auch gewinnen.

Gateway: Wie gehen Sie dabei vor?

Lorenz: Wir überlegen gerade gemeinsam mit 4-Net, welche Software am besten geeignet ist, um die dezentral anfallenden Daten in unsere Verwaltungssoftware zu integrieren. Was den Web-Server für das Intranet angeht, habe ich im Projektgremium klipp und klar gesagt, daß wir ihn bei uns im Haus aufstellen werden. Das hat den Projektpartnern gar nicht behagt, denn das kollidierte mit deren Interesse, den Server für uns zu betreiben. Aber damit wären wir wieder dort, wo wir schon einmal waren: bei höheren Fixkosten. Unsere Philosophie ist, soviel DV-Kompetenz wie möglich im Haus aufzubauen. Dafür stehen zwei Mitarbeiter zur Verfügung, die sich entsprechend weiterbilden. Als Dienstleister für Datennetzwerke und Automatisierungssysteme haben wir ohnehin bereits Know-how im Haus. Das wird 4-Net vielleicht nicht gerne hören.

Sturm: Im Gegenteil, für uns ist das eine Voraussetzung für die Zusammenarbeit mit Kunden. Uns ist es am liebsten, wenn beim Kunden ein kompetenter Ansprechpartner vorhanden ist. Was wir im Vergleich zu Großunternehmen feststellen, ist, daß Mittelständler zum Teil mit DV-Projekten auf die Nase fallen, weil sie zu geringes Know-how haben. Wenn sie sich beraten lassen, sparen sie im Endeffekt viele Kosten ein.

Lorenz: Das kommt daher, daß der Mittelstand enorme Berührungsängste mit dem Thema DV hat. In unserem Fall war es so, daß wir mit externer Betreuung des Netzes schlechte Erfahrungen gemacht haben. Mit eigenen DV-Leuten sind wir unabhängig, falls das Netzwerk einmal ausfällt. Ein anderes Problem sind die hohen Stundensätze: Der Mittelständ kämpft mit Sätzen zwischen 65 und 80 Mark. In der DV-Branche geht es ab 150 Mark los. Warum muß ich mir jemanden holen und mich beraten lassen, um etwas zu kaufen? Das gibt es nur in der DV-Branche. Und dann dauert es Wochen und Monate, bis es so läuft, wie man sich das vorstellt. Was fehlt, sind fertige Lösungen für den Mittelstand.

Sturm: Ganz so einfach ist es nicht. Das Problem der Softwarebranche sind die Anforderungen der Unternehmen an die Software. Meist muß sie individuell angepaßt werden, und das kostet Zeit.

Lorenz: Im Grunde ist dieses Problem schon länger erkannt worden, und es hat bereits mehrere Versuche von DV-Herstellern gegeben, eine eierlegende Wollmilchsau zu kreieren. Geht man damit dann zum Mittelstand, dann paßt es nicht, ist zu mächtig und kostet einen Haufen Geld. Deshalb sage ich ganz klar: Der Mittelstand soll den Mittelstand bedienen, weil er ihn am besten versteht.