Kommunikationsverhalten

Landkarte aus Verbindungsdaten

Ein amerikanisch-britisches Forscherteam hat anonymisierte Verbindungsdaten von zwölf Mrd. Festnetzanrufen analysiert, um damit die Karte Großbritanniens neu zu zeichnen. Die Idee ist, aufgrund des Kommunikationsverhaltens Regionen mit einem engen inneren Zusammenhalt zu finden.

"Wenn man zusammengehörige Regionen identifizieren kann, kann man bessere Regierungsstrukturen schaffen", betont Teamleiter Carlo Ratti, Leiter des MIT Senseable City Lab. Die entstandene Kommunikationskarte Großbritanniens deckt sich zwar weitgehend mit bisherigen Landkarten. Doch insbesondere die klassische Grenze zwischen Wales und England zeichnet sich nicht ab. Also ist klar, dass die Analysemethode tatsächlich neue politische Aufteilungen anregt. Für das Vereinigte Königreich selbst ist das wohl nicht relevant, doch kann es nach Ansicht der Forscher für andere Länder interessant sein.

"Unsere Arbeit schlägt einen neuen, feinkörnigen Ansatz vor, um Regionen zu beschreiben", sagt Ratti. Die Forscher ermitteln zunächst am Gesprächsvolumen der Kommunikationsverbindungen, wie stark verschiedene Landesteile miteinander verbunden sind. Auf dieser Basis zerteilt ein spezieller Algorithmus die Landkarte in immer kleinere Gebiete, immer unter dem Kriterium, dass interne Verbindungen stärker sind als externe. Großbritannien ist mit dieser Methode ganz von selbst in geographisch zusammenhängende Regionen zerfallen.

Dass die neue Kommunikationskarte bisherigen britischen Verwaltungsbezirken weitgehend entspricht, ist nicht überraschend, so Ratti. Immerhin waren Gemeinden seit Jahrhunderten politisch verbunden. "Interessant wird es, wenn sie nicht übereinstimmen. Dann kann man sich ansehen, warum nicht", meint er. Beispielsweise hat sich gezeigt, dass Teile von Wales wesentlich stärker mit Westengland verbunden sind als mit anderen walisischen Regionen. Schottland dagegen scheint anhand der Telekommunikationsdaten nach wie vor Anwendungspotenzial

Das Team bezweifelt, dass sich die Analyse auf die politischen Landkarte Großbritanniens auswirken wird. Doch sehen die Forscher den potenziellen Wert der Methode untermauert. Daher haben sie sich nun Verbindungsdaten aus Ländern zugewandt, in denen ein Neuziehen regionaler Grenzen eher realistisch erscheint. Dort könnte eine Kommunikationskarte die richtige Entscheidungsbasis bilden, um das alltägliche Leben der Bevölkerung möglichst wenig zu beeinträchtigen, so Ratti.

Fraglich scheint, inwieweit Festnetz-Verbindungsdaten im Mobilfunk- und Internetzeitalter die optimale Basis für eine Kommunikations-basierte Grenzziehung ist. Die Forscher betonen in einem Beitrag im Open-Access-Journal PloS ONE beispielsweise, dass Mobilfunkdaten persönlichere Bindungen wiedergeben dürften als Festnetzgespräche. Zudem wären diverse Internet-Verbindungsdaten laut Ratti für noch präzisere Analysen nützlich. (pte/mje)