Konsequent wissenschaftliche Softwareentwicklung

Was in der Automobil- und Elektronikbranche selbstverständlich ist, damit tun sich die Software-Hersteller noch immer schwer: ingenieurmäßiges Vorgehen beim Entwerfen von Systemen. Selbst für international führende Software-Entwicklern sei das ein Wunschtraum, so die Uni Karlsruhe. Das könnte sich nun ändern.

Professor Dr. Ralf Reussner am Lehrstuhl „Software-Entwurf und -Qualität“ (Universität Karlsruhe) will bei der Software-Entwicklung neue Wege bescheiten. Künftig sollen sich bereits anhand der Software-Architektur in der Planungsphase systematisch Aussagen über die Qualität der später implementierten Software treffen lassen.

Das an Reussners Lehrstuhl entwickelte Verfahren erlaube es, die Auswirkungen von Entwurfsentscheidungen vorherzusehen und dadurch gezielt Qualitätsanforderungen von Kunden zu erfüllen. Die Arbeiten seiner Forschungsgruppe wurden beim diesjährigen internationalen „Workshop on Software-Performance“ der Association of Computing Machinery in Buenos Aires als bester Beitrag ausgezeichnet.

Nach vier Jahren Forschung will Reussner nun auch Studenten in das zukunftsweisende Thema einbeziehen. Sein Lehrstuhl bietet daher im kommenden Sommersemester erstmals ein Praktikum „Ingenieurmäßiger Software-Entwurf“ an. Studierende sollen auf Basis aktueller Forschungsarbeiten und neuester Werkzeuge lernen, Software-Systeme aus verschiedenen Einzelkomponenten nach vorgegeben Qualitätskriterien zu entwickeln.

Dieser Ansatz von Software-Architekturen sei nicht nur neu, sondern laut Reussner für Lehre und Industrie von großem Interesse: „In Software-Unternehmen könnte unser Ansatz die noch heute angewandte Trial-and-Error-Methode ersetzen, bei der mit riesigem personellen Aufwand immer nur ein Prototyp mit einer bestimmten beabsichtigten Funktionalität entwickelt wird, dieser schließlich ausprobiert und oftmals gleich wieder verworfen wird. Dann beginnt die Entwicklung von vorne und kostet wiederum Zeit und Geld“, so Reussner.

Beim Brückenbau, so eine Analogie, werde auch nicht einfach eine Brücke gebaut und geschaut, ob sie hält. Hier kommen wissenschaftlich fundierte baustatische Gesetzmäßigkeiten zur Anwendung. Eine mit der Baustatik vergleichbare Theorie der Software-Entwicklung gebe es weltweit bislang nicht.

Reussners Ansatz bringe noch weitere Vorteile mit sich. So habe die Industrie sehr oft zwar eine bestimmte Software, doch ein Kunde will sie anders verwenden: Wird die Software auch dann noch den abweichenden Kundenwünschen gerecht? Durch konsequent wissenschaftliches Herangehen ließen sich auch solche Fragen effektiv beantworten, verspricht der Professor. (dsc)