Fördern oder feuern?

Keiner mag die Mittelmäßigen

Gute Führungskräfte stellen gute Mitarbeiter ein - diese Gleichung geht nicht immer auf. Umso mehr sind Chefs gefordert, transparent und ehrlich zu agieren, wenn es um den Umgang mit schwierigen Mitarbeitern geht.

Mindsquare ist ein junges IT-Unternehmen mit Hauptsitz in Bielefeld. Seit der Gründung 2007 wuchs die Zahl der Mitarbeiter auf inzwischen 85 - allein in diesem Jahr sollen weitere 52 Informatiker hinzukommen. "Ohne systematische Mitarbeiterplanung geht das nicht", so Personalleiter Timm Funke, der auch Mitglied der Geschäftsführung ist. Gerade als Beratungsunternehmen im SAP-Umfeld komme es auf jeden Einzelnen an, auf sein Wissen und sein Engagement. Damit Funke keine Fehler in der Mitarbeiterentwicklung begeht, holte er sich einen auf den Mittelstand spezialisierten Experten - den schwäbischen Berater Jörg Knoblauch. Gemeinsam erarbeiteten sie ein neunstufiges Personalmodell, das unter anderem die Mitarbeiter in drei Kategorien unterteilt - ein Modell, das in anderen Unternehmen in unterschiedlichsten Ausprägungen sicher auch schon angewendet worden ist.

Jörg Knoblauch, Unternehmensberater und Buchautor: "Chefs müssen ihren Mitarbeitern sagen, wo sie stehen und wie sie sie einschätzen."
Jörg Knoblauch, Unternehmensberater und Buchautor: "Chefs müssen ihren Mitarbeitern sagen, wo sie stehen und wie sie sie einschätzen."
Foto: Privat

Laut Knoblauch sind A-Mitarbeiter motiviert, selbständig und engagiert. Sie suchen die Herausforderungen, setzen sich Ziele und übertreffen sie auch. B-Mitarbeiter sind die klassischen "nine to fiver" - und arbeiten solide nach Vorschrift. C-Mitarbeiter gelten in Knoblauchs Sichtweise als unzuverlässig. Sie leisten nicht nur wenig, teilweise wollen sie auch gar nicht. Auf den Punkt gebracht: Mitarbeiter A zieht den Karren, B läuft mit und C sitzt oben drauf, im schlimmsten Fall bremst er sogar.

Die Gallup-Studie, die das Engagement der Mitarbeiter festhält, kommt zu dem Ergebnis, dass 15 Prozent der deutschen Beschäftigten hochmotiviert sind, drei Fünftel zählen zu den B-Mitarbeitern, ein Viertel hat innerlich gekündigt. Besonders erschreckend: Diese Gruppe ist in den vorangegangenen zwölf Monaten laut Gallup um neun Prozent gewachsen. Für Knoblauch können diese Mitarbeiter ein Hemmschuh für Unternehmen sein - nicht nur wegen ihrer unterdurchschnittlichen Leistung, sondern weil sie andere Kollegen mit ihrer Unlust ansteckten: "Die A-Mitarbeiter arbeiten für die C-Mitarbeiter mit", gibt der Berater zu bedenken. Das machten A-Mitarbeiter eine Weile mit, aber irgendwann seien sie frustriert und verließen das Unternehmen.

Manch einer hält das Team zusammen

Es sei legitimes Interesse der Arbeitgeber, möglichst das Maximum aus ihren Mitarbeitern herauszuholen, sagt Christine Rheinberger, allerdings könnten nicht alle das Gleiche leisten. Fähigkeiten und Motivation der Mitarbeiter verteilen sich ihrer Erfahrung nach entsprechend der Gaußschen Kurve: viele in der Mitte, einige Spitzenleute und einige schwierige Mitarbeiter. Die Praxis sei allerdings komplexer, so die Berliner Ingenieurin, die kleine und mittelständische Unternehmen in der strategischen Personalentwicklung begleitet: "Menschen sind keine Maschinen, die allein nach ökonomischen Aspekten beurteilt werden können." Vielleicht sei mancher C-Mitarbeiter nicht so produktiv, halte aber das Team zusammen.

Die Frage, die Rheinberger stellt, lautet, nach welchen Kriterien ein Unternehmen Mitarbeiter misst. Letztlich gehe es auch in einer Firma um deren Werte und Kultur, wenn etwa Schwächere aus Solidarität "mitgenommen" würden. Richtig sei nämlich auch, dass nicht allein die Mitarbeiter für ihre Leistung verantwortlich sind, die Geschäftsführung oder Abteilungsleitung hätten sie eingestellt und auf einen bestimmten Platz gesetzt. Vielleicht fehlten Fortbildungen, vielleicht hätten Leute nicht die richtige Aufgabe. Gerade deshalb dürfen Führungskräfte nicht aus Angst vor menschelnden Konflikten und arbeitsrechtlichen Konsequenzen wegschauen, sondern müssen sich intensiv mit ihren C-Mitarbeitern auseinandersetzen.

Christine Rheinberger, Coach und Personalentwicklerin: "In einem Unternehmen geht es nicht nur um Leistung, sondern auch um Werte und Kultur."
Christine Rheinberger, Coach und Personalentwicklerin: "In einem Unternehmen geht es nicht nur um Leistung, sondern auch um Werte und Kultur."
Foto: Privat

Diese Klarheit und Transparenz fordert Jörg Knoblauch von den Vorgesetzten: "Sagen Sie Ihren Mitarbeitern, wo sie stehen, wie Sie sie einschätzen und dass sie als C-Mitarbeiter gefährdet sind." Schlechte Leistung muss zunächst benannt werden. Im eigenen Unternehmen, aber auch in der Beratung verwendet er Leistungsbeurteilungsbögen, in denen zunächst die Mitarbeiter ihre Fachkenntnisse, Einsatzbereitschaft, ihr Arbeitstempo und -qualität, ihre Selbständigkeit und ihren Kundenbezug einschätzen. Über unterschiedliche Kriterien ergeben sich dann Noten von eins bis sechs. Dasselbe macht die Führungskraft. So werden Eigen- und Fremdbild Grundlage für eine intensive Diskussion über die Arbeitsergebnisse. Für den weiteren Umgang miteinander sei das Wichtigste, ob ein Mitarbeiter nicht kann oder nicht will. Im ersten Fall muss der Mitarbeiter über Fortbildungen und Unterstützung eine Chance bekommen. Im zweiten Fall heißt es Trennung ohne Umschweife. Für Knoblauch ist es nämlich keine Frage: C-Mitarbeiter entziehen dem Unternehmen Kraft und zerrütten das Arbeitsklima. Entweder sie entwickeln sich zumindest zu B-Mitarbeitern, oder sie müssen die Firma verlassen.