Kein "Trial and Error" im E-Government

Die Zielgruppe bilden Unternehmen

Das Projekt "Sondernutzung" soll Firmen und Bauherren die Arbeit erleichtern. Es geht dabei um genehmigungspflichtige Nutzungen des öffentlichen Verkehrsraumes - vom Aufstellen eines Baucontainers bis hin zu Ausschachtungen im Straßenverlauf, wenn ein Bauwerk ans Kanalnetz angeschlossen wird. Die meisten der etwa 15 000 Anträge pro Jahr werden in Nürnberg von zirka 50 bis 60 Firmen eingereicht, die immer wieder im Stadtgebiet tätig sind.

Antrag und Genehmigung verlangen nach der Schriftform, wobei je nach Fall die Unterschriften mehrerer Personen vorliegen müssen und mehrere Ämter und Dienststellen in den Genehmigungsprozess eingebunden sind. Online erfordert der gleiche Vorgang die elektronische Signatur, damit er rechtskräftig abgeschlossen werden kann. Im "Government-to-Business"-Rahmen stellt diese Bedingung kein Hindernis dar: "Die Firmen, die immer wieder mit uns in Kontakt treten müssen, tun sich zum Beispiel mit der Anschaffung von Karte und Lesegerät viel leichter als Bürger, die ihre seltenen Amtsgeschäfte schon immer persönlich erledigt haben", betont Thomas Kleiß, Bereichsleiter Zentrale Aufgaben bei der Stadt Nürnberg. Die Stadt hat die potenziellen "Power-User" früh zu Gesprächen eingeladen und mit dem Projekt vertraut gemacht, um Akzeptanz zu schaffen und das Image der Verwaltung zu fördern. "Während sich derzeit überwiegend die Projekte mit der Privatwirtschaft rechnen, prägen die Dienste für den Bürger das Bild der Kommunen als Dienstleister", sind sich die Vertreter von Curiavant und der Stadt einig.

Im Falle der "Sondernutzungen" ersparen sich die Antrag-steller lästige Behördengänge zu den Öffnungszeiten der Ämter. "Auf unserer Seite bedeutet die E-Government-Lösung nicht automatisch eine Beschleunigung der internen Abläufe", erläutert Nickel, "denn viele Anträge kehren so oft wieder und sind so einfach, dass der Sachbearbeiter nur einen Blick da-rauf wirft und in wenigen Sekunden sein OK geben kann. Das lässt sich elektronisch nicht unterbieten." "Langfristig verringert das System aber dennoch die Kosten", meint Heinz Kluge, Leiter des Tiefbauamts.

Ein typischer Aspekt des Nürnberger Projekts ist die automatische Einbindung vorhandener Backend-Systeme in die neuen Strukturen. "Die Entscheidung, für ein EDV-Produkt Steuergelder auszugeben, ist immer auch eine hoch politische Angelegenheit", nimmt noch einmal Nickel Partei für die Eigenarten der Behörden-IT: "Wir können weder Hosts noch Software einfach austauschen oder Mainframe-Fachleute vor die Tür setzen, nur weil es etwas Neues gibt". XML ist deshalb für Behördenprojekte geradezu ein Segen.

Im Falle der "Sondernutzung" galt es, zunächst eine Oracle-Datenbank einzubeziehen, die seit 1985 betrieben wird, um die Sondernutzungsanträge zu erfassen. Die Schnittstellenprogrammierung erledigte zum Teil Curiavants Software-Labor, teils kamen weitere Dienstleister zum Zug - immer mit dem Hintergrund, die Lösungen so offen und übertragbar wie möglich zu gestalten. Für die externen Anwender wurde zusammen mit dem Unternehmen EDV Dr. Haller & Co. GmbH und der Software COI X-Trend im Hintergrund eine Weboberfläche entwickelt, während die internen Anwendungen auf Oracle, Delphi-Entwicklungen und Word-Serienbrief-Funktionen basieren. "So können wir ohne externe Hilfe Arbeitsabläufe ändern", erklärt Nickel. Die Komponente "Elektronische Signatur" lieferte Curiavant. Deren Lösung verträgt sich mit den meisten Signaturkarten und Lesegeräten. Zudem erspart sie dem Tiefbauamt eine komplexe PKI (siehe erweiterte Berichterstattung).

Nürnberg konnte nicht auf Erfahrungen anderer Städte zurückgreifen, weshalb das Projektteam auch bittere Erfahrungen hinnehmen musste: "Anfangs hatten wir einen ungeheuren Optimismus und eine Fülle von Ideen, aber das relativierte sich in der Auseinandersetzung mit der Technik", erinnert sich Nickel. Bewusst hatte man von vornherein Mitarbeiter aus dem Bereich Informatik und Kommunikation hinzugezogen, um dem im Lastenheft dokumentierten Wunschdenken der Fachabteilungen ein realistischeres Pflichtenheft folgen zu lassen. Vor allem beim Handling der Planzeichnungen, die der Antragsteller beifügen muss, gab es Abstriche. "Wir mussten lernen, dass das Einzeichnen der Sondernutzungspläne in die offizielle Stadtkarte nicht einfach online abzubilden war", erklärt Nickel. Jetzt müssen die Antragsteller wie gewohnt zeichnen, können den Plan aber scannen und dem Antrag beifügen - eine Lösung, die die Kunden nicht so gern sehen, weil sie damit aus ihrer Sicht für die Behörde zusätzliche Arbeitsschritte ausführen.

In Zukunft soll aber eine digitale Version des offiziellen Plans zur Verfügung stehen, der neue Lösungen erlaubt. Danach will man die Zahlung von Bagatellbeträgen per Geldkarte in Angriff nehmen, wobei eine Lösung für das Übermitteln von Quittungen gefunden werden muss. Die großen Kunden zahlen per Rechnung.