Von offenen Türen und Stolpersteinen
IT-Fachkräfte mit Migrationshintergrund
Als Jelena (Name von der Redaktion geändert) nach Deutschland zog, hatte sie ein Informatikstudium in der Tasche und bereits zwei Jahre Berufserfahrung. Und doch riet die Agentur für Arbeit der damals 25-jährigen Bulgarin, sie solle als Servicekraft arbeiten, zum Beispiel als Reinigungsfrau: Ihre Deutschkenntnisse seien noch nicht gut genug. So bewarb sich Jelena bei Restaurants und Hotels, sogar bei einer Metzgerei arbeitete sie zur Probe. "Irgendwann hatte ich auch die Hoffnung aufgegeben, einen Job in der IT zu finden", so die junge Frau, die ihrem Partner nach Deutschland gefolgt war - er hatte dort ein Stellenangebot als Kfz-Mechaniker erhalten.
Jelena traf schließlich eine Sozialarbeiterin, die sie auf das CyberForum aufmerksam machte. Das Karlsruher Unternehmernetzwerk unterstützt über das Projekt "OpenIT" Fachkräfte mit Migrationshintergrund beim Einstieg in die IT-Branche: durch Coachings und enge Kontakte zu den IT-Firmen in der Region. Jelena nahm am Projekt teil - und hatte wenig später die Zusage für einen Ausbildungsplatz als Informatikkauffrau. "So kann ich mein Deutsch noch weiter verbessern und weitere Berufserfahrung sammeln", meint die junge Informatikerin, "und nach der Ausbildung habe ich bessere Chancen auf dem deutschen Arbeitsmarkt."
Schlüsselkompetenz Deutschkenntnisse
Dass Deutschkenntnisse auch in der scheinbar so internationalen IT-Szene immer noch entscheidend sind, kann Tanja Enzmann, Personalleiterin bei cjt Systemsoftware, bestätigen. Das Consulting-Unternehmen aus der Nähe von Karlsruhe beschäftigt rund 50 Mitarbeiter, darunter auch Fachkräfte, die aus China, Vietnam oder Russland stammen. "Gerade im Mittelstand ist Deutsch nach wie vor die primäre Kundensprache", so Enzmann, "und gute Kenntnisse werden von den Kunden auch als selbstverständlich betrachtet."
- So kann die Zusammenarbeit gelingen
Damit Mitarbeiter auf mehreren Kontinenten oder an unterschiedlichen Standorten gut zusammenarbeiten können,sollten Führungskräfte einiges beachten. Beraterin Sonja App hat einige Tipps zusammengestellt. - 1. Auswahl der Mitarbeiter
Prüfen Sie nicht nur die Fachkenntnisse, sondern auch die englischen Sprachkenntnisse der Teammitglieder bereits vor Projektstart und bieten Sie bei Bedarf Crashkurse an. - 3. Persönliche Treffen
Ein Kickoff-Meeting sollte als Präsenztreffen gestaltet werden, damit sich alle Projektbeteiligten persönlich kennenlernen und Vertrauen zueinander aufbauen. Als Leiter virtueller Linienteams sollten Sie mehrere persönliche Treffen pro Jahr mit Ihren Mitarbeitern einplanen. Im Idealfall führen Sie das jährliche Beurteilungsgespräch mit jedem Teammitglied vor Ort an dessen Arbeitsplatz. - 4. Interkulturelle Zusammenarbeit
Gehen Sie offen und tolerant mit fremden Ansichten und Arbeitsstilen um. Bieten Sie bei Bedarf interkulturelle Trainings an. Berücksichtigen Sie Zeitverschiebungen und Besonderheiten wie lokale Feiertage und Schulferien bei Ihrer Projektplanung. Beachten Sie den Arbeitsrhythmus Ihrer ausländischen Kollegen bei der Terminvereinbarung für Telefonkonferenzen und virtuelle Meetings. - 5. Dokumentation
Stellen Sie sicher, dass alle Zielgruppen im Unternehmen die Ergebnisdokumente im richtigen Format zum richtigen Zeitpunkt erhalten. Sensibilisieren Sie Ihr Team auch für die Dokumentation von informellem Wissen. Planen Sie einen Lessons-Learned-Workshop ein und informieren Sie die Abteilungen über die Ergebnisse. - Sonja App
Managementberaterin Sonja App hat jahrelang selbst in virtuellen Teams gearbeitet. Ihre Tipps kommen aus erster Hand. Seit sechs Jahren ist sie als Beraterin für Innovation-Management, Relationship -Management und interkulturelle Kommunikation selbstständig. - Buchtipp
Ihre Erfahrungen und Ratschläge hat Sonja App in einem Buch zusammengefasst: "Virtuelle Teams" von Sonja App, Haufe Lexware, 2013, 240 Seiten.
Wie ihr Unternehmen so viele verschiedene Kulturen innerhalb eines Unternehmens unter einen Hut bekommt, erklärt die Personalexpertin: "Wir haben zwar kein eigenes Diversity Management, nehmen uns aber viel Zeit, um einander nicht nur fachlich, sondern auch persönlich kennenzulernen. Und klar, wo Menschen zusammenarbeiten, gibt es auch mal Schwierigkeiten. Das ist ja in jedem Unternehmen so."
Pünktlichkeit ist nicht gleich Pünktlichkeit
Dass kulturelle Unterschiede immer wieder zu Konflikten führen können, weiß auch der XML-Experte Mehrschad Zaeri Esfahani, Geschäftsführer des Karlsruher IT-Dienstleisters parsQube. Er war elf Jahre alt, als er in den 80er Jahren mit seiner Familie aus dem Iran floh: Sein Vater, ein Arzt, war dort wegen aufklärerischer Schriften verfolgt worden.
"Ein typisches Konfliktthema im Berufsleben ist das Stichwort Pünktlichkeit, das in den verschiedenen Kulturen sehr unterschiedlich gehandhabt wird", so Esfahani. Allerdings seien das Verhaltensweisen, die einem in Fleisch und Blut übergegangen sind und die man nicht von heute auf morgen ändern kann. "Da helfen auch Regeln und Anordnungen nicht, denn wir haben es mit Menschen zu tun." Esfahani unterstützt deshalb das Karlsruher Projekt OpenIT, "da solche Projekte wichtig sind, um Unternehmer für das Thema Fachkräfte mit Migrationshintergrund zu sensibilisieren und um den Dialog zwischen den Kulturen zu verstärken."