IP-Telefonie: Totgesagte leben länger

Die Zeichen mehren sich, dass Voice over IP nach Jahren voller Marketing-Blasen nun tatsächlich Büro und Wohnzimmer erobert. Doch neue Probleme könnten dem Telefonieren über die Datenleitung unerwartet den Weg versperren.

Kaum eine Technologie wurde in den vergangenen Jahren so hochgejubelt wie Voice over IP (VoIP), die paketvermittelte Sprachübertragung über Datennetze. Und kaum eine enttäuschte die Erwartungen so sehr - vom Mobilfunk-Flop UMTS einmal abgesehen. Bereits Mitte der 90er-Jahre sagten Marktforscher und Hersteller eine Revolution voraus: Firmen würden großflächig ihr TK-Equipment entsorgen und fortan nur noch über ihre IP-Infrastruktur telefonieren.

Dass es nicht so kam, hatte mehrere Gründe. Zum einen sanken die Verbindungspreise im Festnetz derart, dass es kaum Kostenvorteile brachte, über Virtuelle Private Netze (VPN) oder das Internet zu telefonieren. Darüber hinaus boten IP-Telefone kaum mehr Komfortmerkmale als ISDN, wenn nicht sogar deutlich weniger. Sie ließen sich zudem wesentlich schwieriger implementieren und konfigurieren. Verfügbarkeit und Sprachqualität lagen weit hinter den Standards der klassischen Telefonie zurück. Als Hemmschuh erwies sich auch der Faktor Mensch: Vor allem in großen Unternehmen waren für IT und TK unterschiedliche Abteilungen verantwortlich. Mit dem Umstieg auf IP-Telefonie sahen sich nun die TK-Manager in ihrer Existenz gefährdet und blockten solche Projekte mehr oder weniger subtil ab.

Doch die Zeiten ändern sich. "Der Markt ist etabliert", sagt Torsten Piske, Business Manager beim Lösungsanbieter und ITK-Dienstleister Damovo. Seit 2002 habe sich die Zahl der von Damovo installierten Basis an IP-Endgeräten jedes Jahr verdreifacht. Piske steht mit dieser Beobachtung nicht allein, auch die Analysten sehen VoIP im "zweiten Frühling". So hat Gartner 2003 im Segment der IP-Anlagen mit mehr als hundert Nebenstellen ein Wachstum von 55 Prozent berechnet. Mittlerweile seien 17 Prozent der neu verkauften Nebenstellen IP-gestützt, stellten die Marktforscher fest. Glaubt man den Kollegen von Dell'Oro, gaben die Firmen im vergangenen Jahr für IP-Telefonsysteme doppelt so viel aus wie 2002. Und laut Instat/MDR übertraf die Zahl ausgelieferter IP-TK-Anlagen 2003 erstmals die der traditionellen Konkurrenz.