Warum Industrie 4.0 stockt
Inkompetenz, Mutlosigkeit, Führungsschwäche
Die Zahlen sind beeindruckend: 390.000 neue Jobs sollen in den kommenden Zehn Jahren allein in Deutschland durch die Digitalisierung von Produktionsprozessen entstehen, so eine aktuelle Studie der Boston Consulting Group (BCG). Investitionen von 250 Milliarden Euro werden demnach ein zusätzliches Wirtschaftswachstum von einem Prozent bringen.
Erfüllen kann sich dieses Heilsversprechen aber nur, wenn es gelingt, eine Reihe von Problemen zu lösen, die kompromissloser Digitalisierung bisher im Wege stehen.
Eines dieser Hindernisse nennt die erwähnte BCG-Studie ("Industry 4.0: The Future of Productivity and Growth in Manufacturing Industry.") selbst: "Ohne IT- und Softwarekompetenz verliert Deutschland den Vorsprung bei Automatisierung und Arbeitsplätzen", so Michael Rüßmann, BCG-Partner und einer der Studienautoren.
Will sagen: Nur wenn genug Fachkräfte vorhanden sind, die das Thema wirklich beherrschen, kann die Prognose eintreten. Danach sieht es aktuell nicht aus. Laut einer Umfrage von Ernst & Young (EY) beklagen deutsche Firmen öfter als solche aus anderen Ländern, ihnen fehle es an Geld, Personal und Know-how, um ihre Digitalisierungsziele zeitnah umzusetzen.
Die Berater von EY hatten 1025 Unternehmen aus zwölf Ländern über Soll und Ist der Digitalisierung in ihrem Haus gefragt. Vor allem bei den Deutschen zeigte sich dabei ein Dilemma: Die Notwendigkeit und die Bedeutung von mehr Digitalisierung haben alle begriffen, aber die Umsetzung stockt aus den genannten Gründen.
IT-Know-how eigener Mitarbeiter stärken
Zwar ging es in der Untersuchung nicht nur um das produzierende Gewerbe, aber ihre Ergebnisse sind auf das engere Thema Industrie 4.0 - also auf die Digitalisierung und Vernetzung von Produktionsprozessen - übertragbar. Schließlich sind Fachkräfte, die den IT-Einsatz in Fabriken konzipieren und steuern können, noch knapper als entsprechende Experten in anderen Branchen.
- Warum Sie sich jetzt um Industrie 4.0 kümmern sollten
Industrie 4.0 bietet zahlreiche Chancen, um die Herstellungsprozesse nicht nur nachhaltig zu verbessern, sondern einen Quantensprung innerhalb der Produktion zu erreichen. - Individualisierung von Kundenwünschen ...
... durch Rentabilität bei der Produktion von Kleinstmengen (Losgröße 1), Berücksichtigung individueller und kurzfristiger Kundenwünsche beim Design sowie in der Planung und Produktion. - Flexibilisierung und Verkürzung ...
... der Lead Time und Time to Market. - Dynamische Geschäftsprozess-Gestaltung ...
... durch Verkürzung von Entwicklungszeiten und Ad-hoc-Vernetzung von cyber-physischen Produktionssystemen. - Schnelle, flexible Reaktion auf Veränderungen ...
... wie Ausfälle von Zulieferern oder kurzfristige Erhöhung von Liefermengen. - Durchgehende (digitale) Transparenz in Echtzeit, dadurch schnelle und flexible Entscheidungen sowie globale Optimierungen in Entwicklung und Produktion. - Optimierung der Produktion ...
... hinsichtlich Ressourcen- und Energieverbrauch sowie Emissionen. - Predictive Maintenance ...
... im Produktionsbereich (Vorhersage und Optimierung von erforderlichen Wartungsprozessen). - Innovative Geschäftsmodelle, ...
... Dienstleistungen und B2B-Services durch Themen wie Big Data und RFID-Chips, Angebote für komplette Lösungen und Rundum-Dienstleistungen. - Demografieorientierte Arbeitsgestaltung ...
... durch das Zusammenspiel zwischen Mensch und technischen Systemen. - Verbesserte Work-Life-Balance ...
... aufgrund höherer Flexibilität in der Arbeitsorganisation.
Aus diesem Grund raten die Autoren der eingangs zitierten BCG-Studie, die Industrie solle in Zukunft eher systematisch das IT-Know-how der eigenen Mannschaft stärken, anstatt zu sehr auf ideale Bewerber von außen zu hoffen.
Das gelte auch deshalb, weil bei der Produktionsplanung und der damit verbundenen Digitalisierung von Prozessen Software- und IT-Unternehmen den Industrieausrüstern und Maschinenbauern zunehmend Konkurrenz machen.
Markus Lorenz von BCG: "Bei Partnerschaften mit IT-Unternehmen muss die deutsche Industrie deshalb darauf achten, ihr Anwendungs- und Fertigungs-Know-how zu schützen. Außerdem sollten die Unternehmen eigene Kompetenzen bei der Softwareentwicklung ausbauen."