Präsenz aufgezwungen

Home Office scheitert am Arbeitgeber

40 Prozent der deutschen Arbeitnehmer könnten von zu Hause aus arbeiten, aber nur zwölf Prozent praktizieren es. Meist scheitert es am Arbeitgeber, obwohl Heimarbeiter zufriedener sind, wie eine Studie zeigt.

Manch ein Arbeitgeber könnte "tatsächlich einen Grund haben, über Fachkräftemangel zu klagen", sagt Karl Brenke aus dem Vorstand des DIW, Berlin. Dieser Grund wäre dann allerdings selbst verschuldet: Wie Brenke in seiner Studie "Home Office" feststellt, erlauben viele deutsche Unternehmen den Mitarbeitern nicht, von zu Hause aus zu arbeiten. Wem aber Präsenzkultur aufgezwungen wird, ist unzufriedener und wechselbereiter. Brenke sagt zuversichtlich: Der Markt wird "uneinsichtige Arbeitgeber zur Vernunft und zur zeitgemäßen Personalführung zwingen".

Wer von zu Hause aus arbeiten darf, ist laut einer DIW-Studie zufriedener.
Wer von zu Hause aus arbeiten darf, ist laut einer DIW-Studie zufriedener.
Foto: Detailblick - Fotolia.com

Die "Home Office"-Studie berücksichtigt zwei Datenquellen, das sozio-ökonomische Panel (SOEP) von TNS Infratest und den Mikrozensus (die "kleine Volkszählung"). Der Mikroszensus ist Teil der Europäischen Labour Force Survey. Studienleiter Brenke zieht daher EU-Vergleichswerte heran.

Rate der Heimarbeit sogar gesunken

Demnach ist die Rate an Heimarbeitern nicht nur unterdurchschnittlich niedrig in Deutschland, sie ist in den vergangenen Jahren auch noch gesunken. Ganz anders in der gesamten Europäischen Union.

In Zahlen: Lediglich rund zwölf Prozent aller deutschen Arbeitnehmer - hier geht es explizit um abhängig Beschäftigte - arbeiten zumindest gelegentlich von zu Hause aus. Zum Vergleich: in Island sind fast 35 Prozent. Es folgen Schweden, Luxemburg, Dänemark und Großbritannien. Deutschland platziert sich auf dem neunzehnten von insgesamt 32 Rängen.

40 Prozent könnten von zu Hause aus arbeiten

An den Arbeitnehmern liegt es nicht. Laut Selbsteinschätzung der Befragten könnten etwa 40 Prozent von zu Hause aus arbeiten. Hier gilt als Faustregel: je höher der formale Bildungsgrad des Befragten und je qualifizierter die Tätigkeit, desto größer die Home Office-Möglichkeit. Umgekehrt ausgedrückt: Der Dachdecker muss auf der Baustelle sein, die Verkäuferin hinter der Ladentheke.

Zufriedenheit der Mitarbeiter

Insgesamt rund 20 Prozent der Befragten würden ein Home Office gerne nutzen. Dass es nur rund zwölf Prozent der Arbeitnehmer ermöglicht wird, kritisiert Brenke offen. Er stützt sich dabei auf die Frage nach der Zufriedenheit. Mitarbeiter, die den Arbeitsort selbst bestimmen dürfen, schätzen ihre Zufriedenheit auf einer Skala von null ("ganz unzufrieden") bis zehn ("ganz zufrieden") bei knapp 7,5 ein (für die Faktoren Arbeit und Einkommen). Wer dagegen von zu Hause aus tätig sein könnte, das aber nicht darf, sieht seine Zufriedenheit bei etwa 6,8 Zählern. Die Unternehmen verschenken also das Potenzial zufriedener Mitarbeiter.

Ein weiteres Ergebnis der Studie: Heimarbeit hat nichts mit dem Familienstand zu tun. Ebenso wenig mit der Geschlechterfrage. Denn nicht nur der Wunsch nach besserer Vereinbarkeit von Familie und Beruf motiviert die Befragten, sondern ebenso die Forderung nach zeitlicher Autonomie. Die Beschäftigten wollen ihren Tagesablauf selbst gestalten können, das gilt für Singles wie für alleinerziehende Mütter.

Heimarbeiter arbeiten länger

Dieser Tagesablauf sieht offenbar viel Arbeit vor, so der Report weiter. Heimarbeiter kommen im Schnitt auf knapp 41 Wochenstunden, das sind gut vier Stunden mehr als der Durchschnitt. Ein weiterer Grund für das Entkoppeln von Leistung und Anwesenheit, wie Brenke erklärt. Hierin allerdings liegen für den Forscher auch die Gefahren des Home Office. Die Arbeitnehmer sind gefordert, Zeitdisziplin zu wahren und Job einerseits sowie Freizeit andererseits zu trennen.

Besonders groß ist die Diskrepanz zwischen dem Wunsch nach Heimarbeit und der Wirklichkeit bei Banken und Versicherungen sowie in der öffentlichen Verwaltung. Brenke versteht das nicht. "Für die Arbeitgeber entstehen eigentlich keine Nachteile", sagt er.