Hightech-Paradies Estland lässt EU alt aussehen

Seit der Wiedergewinnung der Unabhängigkeit im Jahr 1991 hat sich Estland zu den IT-Vorzeigestaaten der EU entwickelt. So verfügt das Land nicht nur über eine ausgezeichnete Internet-, WLAN- und Mobilfunkinfrastruktur, sondern dient auch als Entwicklerschmiede für ITK-Pioniere wie Skype.

Im Februar 2007 machte Estland Schlagzeilen, als es als erstes Land der Welt die elektronische Stimmabgabe bei einer Parlamentswahl erlaubte, TecChannel berichtete. Legendär sind auch die Anordnungen, dass jeder Ort zumindest einen öffentlichen Internet-Hotspot haben muss sowie die Einführung eines eigenen Klammeraffen-Verkehrszeichen, das diese Zugangspunkte ausweist.

"Das IT-Phänomen zieht sich in Estland flächendeckend bis in die kleinste Gemeinde an der russischen Grenze. Selbst in maroden Plattenbausiedlungen trifft man meist irgendwo auf das eingeführte @-Symbol, das auf den nächstgelegenen Internet-Zugang hinweist", erklärt Klaus Schameitat, Autor des Reiseführers "Estland entdecken", auf Nachfrage von pressetext. Den Technologie-Boom des Landes erklärt der Estland-Experte unter anderem mit der politischen und wirtschaftlichen Orientierung Estlands am sprachlich wie kulturell nahe stehenden Finnland. Neben der innovationsfreudigen Mentalität der Esten sieht Schameitat auch das in Sowjetzeiten schlecht ausgebaute Festnetz als indirekten Grund für die kabellose Rundum-Kommunikation. "Da wurde der Ausbau der Festnetzinfrastruktur einfach übersprungen und direkt in WLAN und Mobilfunknetze investiert", so Schameitat.

Estnisches Unikum: @-Verkehrsschild
Estnisches Unikum: @-Verkehrsschild
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Die Nähe zu Finnland wertet auch e-Voting-Experte Robert Krimmer als wichtigen Grund für die Technologiefreundlichkeit des Landes. "Estland hatte wie die anderen baltischen Staaten nach der Unabhängigkeitserklärung mit einer Identitätskrise zu kämpfen. Angeregt durch den Internet-Boom in Finnland und die Akzentsetzungen der sehr jungen Politikerriege hat sich das ganze Land schließlich über seine Technologieoffenheit definiert", so Krimmer im Gespräch mit pressetext. Bei der Umsetzung des e-Votingvorhabens sei dem Land aber auch die sehr junge und flexible Verfassung zugute gekommen. Auf die Bedürfnisse der beinahe 30 Prozent verbleibenden russischen Minderheit wurde dabei nicht Rücksicht genommen. Die e-Voting-Möglichkeit wurde nur in estnischer Sprache angeboten.