Hersteller im Visier

"Frameworks" für "Enterprise Management" sind in jüngster Zeit groß in Mode gekommen. Einen Überblick über die führenden Produkte verschafften sich rund 140 IT-Manager beim "Netzwerk- und Systemmanagement-Forum" der Comconsult-Akademie Mitte November in Bonn. Weitere Themen waren integrierte Management-Gesamtlösungen, Plattformen für das Netzwerkmanagement und Web/Intranet-basiertes Management.

Von: Claudia E. Petrik, Dr. Franz-Joachim Kauffels

Traditionell richtet sich die Veranstaltung an Anwender, die aufgrund der Struktur ihrer Umgebungen schon früh Bedarf an integrierenden Managementstrukturen hatten. Die Aussagen der Hersteller zu ihren Lösungen sind oftmals für Anwender mit heterogenen Netzen wenig hilfreich. Die immer wieder versprochene Integration von Funktionen oder gar "Welten" ist häufig nur rudimentär. Da reine Netzmanagementlösungen für die Unterstützung von Unternehmensprozessen nicht mehr ausreichen, haben sich die wichtigen Hersteller die Einbeziehung des Systemmanagements auf die Fahnen geschrieben. Es ist kaum überraschend, daß die wenig ruhmreichen Entwicklungen für die Integration einzelner Netzmanagementfunktionen aus der Vergangenheit heute wieder neu nachgezeichnet werden. Ziel der Veranstaltung war es daher, ein Forum zu bilden, welches Anspruch und Wahrheit korrelieren sollte.

Um die Teilnehmer auf einen gemeinsamen Stand zu bringen, gab Comconsult-Geschäftsführer Dr. Jürgen Suppan am ersten Tag einen Überblick über den Stand der Dinge bei den Netzmanagementstandards und dem PC-Management. Sein Credo: Die vollständige Betriebsfähigkeit für vernetzte PCs setzt Managementfähigkeiten nicht nur für PC-Client- und Server-Hardware sowie das Netzwerk voraus, sondern auch für Betriebssoftware, Treiber, Anwendungen und Peripherie. Zu den Standardfunktionen gehören die automatische Erfassung aller Komponenten, die Darstellung der Gesamtkonstellation in Form von hierarchischen grafischen Übersichten, Monitoring und die Möglichkeit zu Leistungsmessungen.

Damit alleine ist jedoch noch nicht viel gewonnen. Fernzugriff auf die zu managenden Komponenten, Ereignismanagement, Reporting, Server-Management, Lizenzkontrolle, Softwareverteilung und Funktionen für den Datenschutz gehören zu einer professionellen Arbeitsumgebung, wobei natürlich der Bedarf der einzelnen Anwender sehr unterschiedlich ist. In Projekten zeigt sich, daß die einzelnen Produkte heute in den verschiedenen Funktionsbereichen ein sehr unterschiedliches Leistungsverhalten aufweisen. Standards sind heute das Desktop Management Interface (DMI) der DMTF in der Version 2.0, Microsofts "Plug & Play" in Kombination mit "Win95 Registry" und SNMP. Die Qualität des DMI ist laut Suppan akzeptabel. Allerdings wird im wesentlichen die Verwaltung einer Datenbasis, aber nicht die Nutzung genormt; das Problem sind fehlende Implementierungen. Trotzdem ist der Trend Richtung DMI recht stark.

Wesentlich, auch für andere Bereiche, ist das Management Information Format (MIF) des DMI für die Beschreibung der Eigenschaften von Komponenten. Standard ist trotz einer Menge von Problemen die Lösung von Microsoft, die vor allem den Vorteil hat, daß in ihr Funktionen realisiert sind, die das DMTF außen vor läßt. Suppan schließt daraus, daß die technische Basis für PC/Desktop-Management auf der PC-Seite mittelfristig nur Plug & Play mit einem DMI-Interface für den Remote-Zugang herstellerneutraler Managementanwendungen sein kann, da vom Einsatz von SNMP-Agenten zum PC-Desktop-Management abgeraten werden muß. Ab zehn Mark aufwärts gibt es nun eine Reihe von Produkten, von denen aber nur die der etablierten Hersteller ernstzunehmen sind. Momentan existieren Allianzen zwischen CA und Intel, IBM und Intel sowie HP und Microsoft. Dies wird sich in der Integrationsqualität der PC-Managementprodukte in die Frameworks niederschlagen.

Ein weiterer Vortrag von Dr. Suppan befaßte sich mit der Entwicklung und Umsetzung einer Architektur für eine integrierte Managementgesamtlösung. Hier bilden vor allem Projekterfahrungen bei Großanwendern Hintergrund der Empfehlungen. Der applikationszentrierte Designansatz kann an dieser Stelle nicht in angemessener Tiefe diskutiert werden.

Vergleich von Plattformsystemen

Einen Schwerpunkt bildete am zweiten Konferenztag die Bewertung der Marktsituation hinsichtlich der Plattformsysteme. Die Unternehmensberaterin Petra Borowka stellte anhand eines ausführlichen Kriterienkataloges die Plattformen von Cabletron, HP, IBM, SNI und Sun auf die Tribüne. Hier traten teilweise überraschende Fakten zutage: so ist zum Beispiel "Spectrum" von Cabletron nur noch unter Solaris und NT lauffähig. Dem hohen Funktionsumfang beim Netzwerkmanagement steht immer noch ein mangelhafter Third-Party-Support gegenüber. Die Mitbewerber Cisco, 3Com oder Bay haben keine große Lust, ihre Umgebungen durch Spectrum bequem steuerbar zu machen, was letztlich den Einsatzspielraum für das Produkt einschränkt.

Die Kombination aus Control-Center, SNMP-Management und Event-Center fällt bei SNI "Transview" in die gleiche Funktionsklasse wie HP "Openview" oder IBM "Netview". Leider wird das Produkt vom eigenen Haus nicht konsistent vertrieben. Ganz klar auf dem absteigenden Ast ist Sun. Hier konnte der frühere Vorsprung nicht gehalten werden, was zu mangelnder Skalierbarkeit zwischen den einzelnen Lösungsstufen führt. Marktführer ist nach wie vor HP, dessen Openview endlich durch verteilte Lösungsmöglichkeiten auch von mittleren auf große Netze skalierbar ist. Dagegen ist für Projekte mit hohem Anteil an Systemmanagementfunktionen Tivoli TME 10 vielfach die erste Wahl.

Weitere Vorträge behandelten Einzelheiten der SNMP-Welt und das wichtige Thema Sicherheit. Als Ergänzung zu den Vorträgen wurden wie jedes Jahr Workshops zu den betreffenden Themenbereichen angeboten. Die Teilnehmer waren spätestens danach so fit, daß die Vertreter der Hersteller ihre Werbeversprechungen einpacken konnten. Der dritte Tag begann mit einem Übersichtsvortrag zum Thema Web-basiertes Management (siehe Artikel Seite 82). Danach wurden die Hersteller von Frameworks von den Teilnehmern und Referenten in die Mangel genommen.

Mehr Intelligenz für TME-10-Clients

Seitdem IBM mit "TME 10" (Tivoli Enterprise Management) als Framework-Lösung auf Kundenfang geht, betonen auch Mitbewerber den Framework-Gedanken bei ihren Produkten. Laut Gartner Group haben IBM/Tivoli und Hewlett-Packard die Nase vorn, was die "Funktionsfähigkeit und Vollständigkeit der Vision" angeht. Als "Herausforderer mit ausgereiftem Produkt" stufen die Analytiker Computer Associates ein (siehe Gateway 3/97, S. 37 und 9/97, S. 24).

Als "ein Mittel, um Massen von Anwendern und Komponenten physikalisch in den Griff zu bekommen", umschrieb Reinhard Stamms von Tivoli den Begriff Framework (siehe Gateway 8/96, S. 27). Neu bei TME 10 ist das "Leightweight Client Framework" (LCF). Diese Komponente entstand aus dem Grund, weil das bisherige Konzept mit den TMR-Servern, den Managed Nodes und den PC Managed Nodes zu Engpässen geführt hatte. Bei aufwendigen Systemmanagementfunktionen liegt die Hauptarbeit bei den Managed Nodes. Um eine größere Anzahl von Anwendern zu verwalten, ist es nötig, einen Teil der TME-10-Intelligenz auf die PC Managed Nodes (Endpoint Clients) zu verlagern. Denkbare Endpoints sind künftig auch Netzwerkkomponenten: 3Com kündigte bereits an, daß ihre NICs den Endpoint-Agenten erhalten werden. Das LCF wird seit Anfang November an Betatest-Kunden ausgeliefert. Für den praktischen Einsatz soll es dann Ende März verfügbar werden.

Zu wenig Systemingenieure

Was den Stand der Integration von "Netview" in TME 10 angeht, teilte Stamms mit, daß dieser Prozeß bis Ende 1998 abgeschlossen sein soll. "Das hängt zeitlich davon ab, wann die Benutzeroberfläche von TME 10 in Java fertiggestellt ist. Damit rechnen wir Mitte 1998." Auf die Frage, was die Anwender tun sollen, die heute Netview 5 einsetzen, sagte Stamms: "Sie sollten damit erst einmal weitermachen." Der Tivoli-Vertriebsmitarbeiter ging ferner auf Veränderungen in "TME 10 Inventory" ein. Die neue Version ermöglicht es, Software und Hardware zu scannen und die gewonnenen Informationen an relationale Datenbanken zu übergeben. Dies geschieht mittels eines objektorientierten Interfaces. Schließlich wollte ein Teilnehmer noch wissen, ob Tivoli über genügend ausgebildete Systemingenieure verfüge, um TME 10 in den Unternehmen zu implementieren. "1997 sind 50 Mitarbeiter eigens dafür ausgebildet worden", erwiderte Stamms und gab zu, daß es Probleme geben würde, "wenn uns die Kunden jetzt mit Aufträgen überschütten."

Gerhard Haberstroh von Hewlett-Packard nutzte die Gelegenheit, um noch einmal die Kooperation mit Computer Associates im Systemmanagementbereich zu erklären (siehe auch Gateway 9/97, Seite 24): "Die Zusammenarbeit bezieht sich darauf, die HP-Server im Systemmanagementbereich zu unterstützen. Es kann keine Rede davon sein, daß wir die Aktivitäten von Openview zurückschrauben. Das ist ein Unternehmensbereich mit einem Umsatzvolumen von 500 Millionen Dollar." Um eine Vorstellung von der Marktgröße zu geben, zitierte Haberstroh eine IDC-Studie, die den Gesamtmarkt für Systemmanagement auf derzeit acht Milliarden Dollar schätzt. Mit einem jährlichen Wachstum von 16 Prozent soll sich der Umsatz in diesem Segment bis 2001 auf 18 Milliarden Dollar mehr als verdoppeln. In seinem Vortrag erläuterte der Vertriebsmarketing-Manager die Sichtweise von HP in bezug auf integrierte Managementlösungen (Gateway 2/97, S. 20) und schilderte die Erfahrungen, die im eigenen Haus gemacht wurden (Gateway 10/97, S. 12).

Integration von NT und Unix

Was die strategische Partnerschaft mit Microsoft anbelangt, befindet sich HP derzeit "mittendrin, das ganze Openview-Portfolio auf NT zu portieren". In diesem Zusammenhang wies Haberstroh darauf hin, daß NT heute keine Netzwerkmanagement-Plattform darstellt und deshalb für große Umgebungen nicht geeignet ist. "Viele Anwender sind zu schnell auf den NT-Zug aufgesprungen. Für ein Rechenzentrum ist das nicht das richtige", sagte Haberstroh. Und fügte hinzu: "Wir reden von einer Integration von NT und Unix, alles andere ergibt keinen Sinn."

Ein weiterer Punkt in seinem Vortrag war eine zentrale Datenbank für Openview. Haberstroh berichtete von mehreren Versuchen in den USA, ein herstellerübergreifendes Repository zu schaffen, die allesamt gescheitert seien. "Die einzige Möglichkeit, zu einem gemeinsamen Repository zu kommen, ist aus unserer Sicht CIM von der Desktop Management Task Force (DMTF)", erklärte er. CIM basiert weitgehend auf HMMS (Hypermedia Management Scheme) von Microsoft und liefert die Beschreibung eines Datenmodells. Wegen der Allianz mit dem Softwareriesen setzt HP auf DCOM als Objektstruktur. "Ob das so ausgereift ist wie Corba, ist allerdings eine andere Frage", meinte Haberstroh. Die erste Implementierung von CIM soll Anfang 1998 kommen.

Sichtlich schwerer als seine Vorredner bei den Teilnehmern anzukommen, hatte es Rolf Leinenweber von Computer Associates. Dies lag einerseits an seinen allgemeinen Ausführungen, die den Zuhörern nichts Neues boten. Andererseits haftet dem Unternehmen bei den Anwendern nicht gerade ein guter Ruf an, was unter anderem daher rührt, daß CA teilweise mit falschen Versprechungen wirbt. So behauptet das Unternehmen, über eine objektorientierte Datenbank zu verfügen. Dabei handelt es sich in Wirklichkeit um einen SQL-Server mit objektorientiertem Zugriff. Dies soll sich mit der echten Objektdatenbank "Jasmine" ändern. CA kündigte Pläne an, Jasmine mit der Programmierschnittstelle OLE DB Component Object Model (COM) von Microsoft zu integrieren.

Falsche Versprechungen

Versprochen wird auch Single-Sign-on, was bedeutet, daß ein Benutzer sich nur ein einziges Mal zu Beginn seiner Arbeit vor der gesamten Systemumgebung authentifizieren muß und nicht vor allen Komponenten und Anwendungen einzeln. Ein Teilnehmer des Forums wies darauf hin, daß dem nicht so ist. Die Realisierung sieht nämlich so aus, daß man sich zunächst bei Unicenter einloggen muß und dann bei den einzelnen Komponenten nochmals, wenn es sich nicht gerade um eine eng verbundene Lösung handelt.

CA versucht sich von seinen Mitbewerbern dadurch abzuheben, daß es die IT-Landschaft aus der Sicht der Geschäftsprozesse betrachtet. Ein weiterer Unterscheidungsgrund ist Leinenweber zufolge, daß bei Unicenter TNG grundsätzlich Systemmanagementfunktionen vorhanden sind.

Anwender von Frameworks sind in Deutschland noch dünn gesät. Tivoli nennt als Referenzkunden die Carl-Zeiss-Gruppe und die Bayerische Vereinsbank. CA gibt als Beispiele die TUI und die Stadtwerke Bremen preis, wobei mit letzteren erst im November ein Vertrag unterzeichnet wurde. Angeblich sind viele Großunternehmen derzeit in der Evaluierungsphase.