Informatik-Professor Hermann Maurer im Interview

"Google ist die mächtigste Detektei, die es je gab"

Regierungen ist das Problem noch nicht bewusst

pressetext: Muss man nicht schon heute stärker auf die Problematik des Data Mining hinweisen?

Maurer: Davon bin ich überzeugt. Das ist ja mitunter auch der Grund, warum ich diesen Bericht geschrieben habe. Es gibt einfach Bereiche in unserer Gesellschaft, wo unabhängig von Regierungsform und politischer Orientierung der Staat eingreift. Wir haben eine solche Situation beispielsweise in jedem Land der Welt bei der Zulassung von Medikamenten. Ich glaube, dass das Internet inzwischen einen so großen Stellenwert bekommen hat, dass auch hier die öffentliche Hand eingreifen muss. Den Regierungen ist generell noch zu wenig bewusst, dass dies ein neues Phänomen ist, das man mit gewissen Regelwerken in den Griff bekommen kann.

pressetext: Was kann konkret dagegen getan werden?

Maurer: Konkret sollte man sich erstens überlegen, ob große Firmen wie Google nicht in mehrere Firmenteile zerlegt werden sollen. Der eine Teil könnte zum Beispiel die Suchmaschine betreiben und der andere würde dann die übrigen Dienste, die Google anbietet, beinhalten. Die beiden Teile dürften aber keine Daten untereinander austauschen. Das würde die Situation schon dramatisch entschärfen. Zweitens sollte man die Entwicklung von Spezialsuchmaschinen unterstützen. Diese Suchmaschinen, die jeweils in bestimmten Themenbereichen eingesetzt werden würden, könnten von gemeinnützigen Einrichtungen wie Universitäten betrieben werden.

Maurer: „Die öffentliche Hand muss eingreifen.“ (Quelle: Fotografie Studio Sissi Furgler)
Maurer: „Die öffentliche Hand muss eingreifen.“ (Quelle: Fotografie Studio Sissi Furgler)

pressetext: Es gibt ja einige Theorien über das Zusammenspiel von Google und Wikipedia. In Ihrem Bericht wollen Sie einige Anzeichen für eine solche Zusammenarbeit gefunden haben. Was haben Sie entdeckt?

Maurer: Die Verwendung des Internets hat bereits begonnen, zu einer Wissensverflachung zu führen. Ich habe da vor allem Wikipedia vor mir, das wir alle benutzen und das ich eigentlich für eine gute Geschichte halte. Wichtig ist aber zu wissen, dass Wikipedia als Quelle von Informationen mit Vorsicht zu genießen ist, denn viele dort gesammelte Artikel sind mit einer bestimmten Absicht geschrieben oder enthalten eine persönliche Meinung, die nicht unbedingt den eigentlichen Tatsachen entspricht. Was das Verhältnis von Google und Wikipedia betrifft, bestreiten beide nicht ausdrücklich eine Zusammenarbeit. Es ist aber doch auffällig, dass vor allem in der deutschsprachigen Version von Google die Einträge von Wikipedia bei Suchanfragen viel höher gereiht werden als bei anderen Suchmaschinen. Man könnte jetzt sagen, das liege an der Art wie Google die Rankings von Suchergebnissen vornimmt. Ich glaube aber, dass da mehr dahinter steckt. So konnten wir mittels statistischem Vergleich deutlich nachweisen, dass Wikipedia-Einträge bei Google signifikant besser abschneiden als bei anderen Suchmaschinenanbietern.