Fernsehen oder telefonieren

Neue Hochgeschwindigkeitstechniken sollen den Bits jetzt Beine machen und den Daten Reisegeschwindigkeiten im Megabit-Bereich eröffnen. Das Telefonnetz erhält dabei erstmals Konkurrenz durch das Koaxialkabel des TV-Kabelnetzes. In Nordamerika stehen Kabel und DSL schon in den Startlöchern und wetteifern um die Gunst des zukünftigen Kunden.

Von: Heidi Schall

Während die Computerhersteller gerade die Vorsilbe Tera ihrem aktiven Sprachschatz hinzufügen, rechnet die Netzwerkwelt noch in Bits und Kilobits. Vor allem das Internet und die zunehmende Bedeutung der Kommunikation im professionellen Bereich verlangen aber nach schnelleren Wegen von Computer zu Computer. Im Rennen um Geschwindigkeit und Bandbreite sind derzeit hauptsächlich zwei verschiedene Alternativen im Gespräch: xDSL und Koaxkabel. Beide Techniken versprechen Übertragungsleistungen im Bereich von Megabit pro Sekunde, nutzen aber verschiedene Übertragungsmedien. Während xDSL die Möglichkeiten des bestehenden Telefonnetzes verbessert, verwendet die TV-Kabeltechnik ein schnelles Netz, das bisher nicht für die Datenübertragung genutzt wurde.

Mit der Umwandlung der ehemaligen Einbahnstraße TV-Kabelnetz in ein rückwegfähiges Kommunikationsnetz bieten die Kabelbetreiber auch Datenservices an. Und zwar mit Geschwindigkeiten bis zu theoretischen 30 MBit/s pro Sekunde. Die Übertragung eines 5 MByte großen Farbbildes dauert im Kabelnetz - meist eine Kombination aus Coaxialkabel und Glasfaser - lediglich 10 Sekunden und grafikbeladene Internet-Seiten erscheinen nur Augenblicke nach dem Klick auf die Returntaste. Internet per Kabelfernsehnetz ist aber nicht nur wesentlich schneller, es ist auch ohne lästiges Einwählen immer und jederzeit verfügbar und blockiert weder Telefon- noch Faxanschlüsse. Neben dem schnellen Internet-Zugang hat das Kabel auch das Potential für Dienste wie Video-on-demand, CD-ROM-on-demand und Home Shopping.

Internet per Koax oder Glasfaser

Die Technik ist komplex, für den Kunden aber simpel. Ein Kabelmodem, das meist - wie früher das Telefon - vom Kabelanbieter geleast und installiert wird, wird über eine Ethernet-Karte an den Computer angeschlossen und über dieselbe Buchse wie das Fernsehgerät mit dem Netz verbunden. Das Kabelmodem wandelt wie andere Modems die digitalen Signale in analoge und umgekehrt. Die Übertragungsweise ist asynchron und liefert unterschiedliche Geschwindigkeiten für beide Kommunikationswege. Kabel erreicht je nach Anbieter 500 kBit/s bis 30 MBit/s downstream zum Kunden und 96 kBit/s bis 10 MBit/s upstream vom Kunden.

Zu den wichtigsten der derzeit 35 Hersteller von Kabelmodems und Systemkomponenten gehören Bay Networks mit ihrer "Lancity"-Familie, Zenith, Motorola, General Instruments, Toshiba und COM21, ein Herstellerverband, dem auch 3Com angehört. Führend in der Branche sind derzeit Lancity und Zenith mit gemeinsamen 80ŠProzent Marktanteil. Allerdings wird erwartet, daß Motorola bis Ende 1997 stark aufholt und die Führung übernehmen wird. Motorola liefert die Technik vor allem für das Multimedia-Projekt des Mediengiganten Time Warner und hat im April die Lieferung von weiteren 250 000 Modems an den Mediengiganten angekündigt. Kabelmodems sind als externe Boxmodems und interne Steckkarten (zum Beispiel von der israelischen Firma New Media Corporation) erhältlich. Technisch lassen sie sich derzeit in drei verschiedene Kategorien einteilen:

Modems, die lediglich IP routen, Modems, die IP und andere Netzwerkprotokolle beherrschen und Modems, die ATM-kompatibel sind wie das "Comport"-Modem von Com21.

Die Antwort der Telefongesellschaften auf die drohende Konkurrenz aus dem Kabelnetz heißt xDSL. Der prominenteste Vertreter der verschiedenen DSL-Technologien ist ADSL. Mit ADSL wird das Kupferkabel zum Übertragungsmedium für Breitbandanwendungen wie Video, Fernsehen, und Highspeed-Datentransfer. ADSL nutzt einen Teil der Leitung für Sprache und den verbleibenden Teil für die Übertragung von Daten. Ein ADSL-Modem teilt das Kabel in drei Kanäle: einen Sprachkanal, einen Highspeed-Datenkanal und einen mittelschnellen Duplexkanal. Der Sprachkanal wird durch Filter von den Datenkanälen getrennt und garantiert dadurch eine ununterbrochene Telefonleitung, auch wenn die Datenleitung unterbrochen ist. Die Übertragung in den beiden Datenkanälen ist wie bei Kabel asynchron und liefert unterschiedliche Geschwindigkeiten in unterschiedliche Richtungen. ADSL kann Daten mit einer Geschwindigkeit bis zu 9 MBit/s downstream zum Kunden transportieren und erreicht upstream Geschwindigkeiten bis zu 800 kBit/s. Kabelmodems werden an beiden Enden einer Leitung installiert und stellen dem Kunden eine eigene Leitung zur Verfügung.

Unter den derzeit 30 Anbietern von ADSL-Modems weltweit finden sich Namen wie Alcatel mit dem "1000"-ADSL-Modem, Ericsson mit der "Cobra"-Reihe, Intel, NEC und US Robotics. Die ADSL-Geräte gibt es derzeit im wesentlichen als externe Boxmodems.

IDSL - ISDN sprachlos

IDSL fällt ein wenig aus dem Rahmen, da es keine Geschwindigkeiten im Megabit-Bereich ermöglicht. IDSL steht für ISDN Digital Subscriber Line. Basierend auf der ISDN-Technologie nutzt IDSL das Kupferkabel für reine Datenübertragung. Unter Umgehung des Sprachnetzes verbindet IDSL den Computer über eine dedizierte Leitung direkt mit dem paketvermittelnden Datennetz. IDSL ist paketvermittelnd und wird ähnlich wie Datex-P nach Pauschalbeträgen tarifiert, während das leitungsvermittelte ISDN zeitabhängig die Gebühren ermittelt. Durch die Umgehung sparen sich die Nutzer also erheblich Kosten.

Die Übertragungsgeschwindigkeit von IDSL beträgt 128 KBit/s. Im Gegensatz zu ADSL und Kabel bietet IDSL aber gleiche Geschwindigkeiten in beide Richtungen. Da die Technik auf ISDN basiert, braucht der Endkunde keine neue Hardware zu installieren, sondern kann bestehende ISDN-Karten nutzen. Auf Carrier-Seite muß lediglich eine IDSL-Karte installiert werden. Anbieter von IDSL-Komponenten sind Ascend Communications und Pulsecom.

Zwischenlösung IDSL

Zwar kann Kabel die potentiell schnelleren Geschwindigkeiten anbieten, hat aber die geringere Reichweite. Während weltweit 700 Millionen Haushalte Zugang zum Telefonnetz haben, sind lediglich 180 Millionen Haushalte verkabelt. In Deutschland schalten derzeit 16,9 Millionen Kunden Kabelfernsehen ein, wobei 6,5 Millionen Nutzer Gebühren an die Telekom bezahlen und weitere 11 Millionen Haushalte von privaten Netzbetreibern versorgt werden. Minuspunkte wie keine garantierte Bandbreite, mangelnde Sicherheit, mangelnde Interoperabilität und die geringe Verbreitung von Kabelanschlüssen in Unternehmen machen dem Kabel den Einstieg in den professionellen Bereich schwer. So ist die derzeit einzige Anwendung für Highspeed-Kabel der schnelle Internet-Zugang für den Privatanwender. ADSL dagegen zielt auch mit seinen möglichen Anwendungen sehr viel stärker auch auf den professionellen Bereich. Die Hersteller arbeiten stark an einer Standardisierung und Integration bestehender Technologien, was für größere Unternehmen ein wichtiger Pluspunkt sein dürfte.

Was die Marktreife anbelangt, hat Kabel im Moment die Nase vorn. Nach zweijährigen Testphasen läuteten in den letzten Monaten alleine in Nordamerika mehr als 30 Kabelgesellschaften die kommerzielle Phase ein - Tendenz steigend. Die meisten Anbieter findet man bislang noch in Nordamerika. Aber auch in Südamerika, Australien, Hongkong, Frankreich, Dänemark, Belgien und Deutschland gibt es schon Anbieter. Erste Tests amerikanischer Computerzeitschriften unter realen Bedingungen verliefen positiv mit durchschnittlichen Downloadzeiten von 30 Sekunden für eine 6,5 MByte große Datei.

ADSL im Teststadium

ADSL dagegen befindet sich zum größten Teil noch im Teststadium und wird derzeit weltweit von über 30 Telefongesellschaften in Testprojekten eingesetzt. Erste Ergebnisse sind laut Aussagen der Gesellschaften "sehr zufriedenstellend". Der Einstieg in die kommerzielle Phase ist von vielen Gesellschaften für 1997 angekündigt, und bis Ende 1998 rechnet die Branche mit einer weiten Verbreitung der neuen Technologie. Die kanadische Telefongesellschaft Telus will ab Oktober 97 kommerzielle ADSL-Leitungen zur Verfügung stellen.

(hjs)