„Hört auf, euch ständig zu hinterfragen!“

Erfahrene IT-Frauen reden Klartext

Professorin zeigt, dass Frauen in der Branche Fuß fassen können

Stimmt, findet Elisabeth Heinemann. Die Professorin für Mobile Computing in der IT an der Hochschule Worms versucht ihren Studenten mit ihrer eigenen Biographie vorzuleben, dass Frauen in der Branche Fuß fassen können. Vorurteile gegenüber weiblichen ITlerinnen hat Heinemann nur einmal selbst erlebt, vor vielen Jahren: Damals hatte sie ein Headhunter einer großen Tech-Company als Projektleiterin vorgeschlagen, ihr Profil passte perfekt zu den Kundenwünschen. Als Heinemann zur Tür hereinkam, stockte dem Kunden der Atem - eine Frau. "Ich habe sofort gemerkt, der hat damit ein Problem", erinnert sich Heinemann. Sie bekam eine Absage - und eine Woche später einen neuerlichen Anruf vom Headhunter. "Die haben keinen bessern gefunden und wollen Sie jetzt doch."

Elisabeth Heinemann ist Professorin für Mobile Computing in der IT an der Hochschule Worms.
Elisabeth Heinemann ist Professorin für Mobile Computing in der IT an der Hochschule Worms.
Foto: FH Worms

Heinemann kneift heute noch die Augen zusammen, wenn Sie daran denkt. "Sagen Sie dem Herrn, ich stehe nicht mehr zur Verfügung", hat sie geantwortet. Nicht aus Trotz, sondern aus Überzeugung. Heinemann: "Wir Frauen müssen Flagge zeigen, statt rumzudiskutieren. Wer Täter und wer Opfer ist, entscheidet sich immer auch an der Frage: Wer lässt was zu?" Und wer nimmt sich welche Jobs?

Leider sei beim weiblichen Nachwuchs von dieser Haltung nicht viel zu spüren. Im Gegenteil. Das zeigte sich erst neulich, als Heinemann in einem Seminar einen Elevator-Pitch übte. Einem fiktiven Personaler sollten die Studierenden im Aufzug erklären, wieso sie die richtige Kandidatin für den Posten seien. Eine Studentin warb für sich mit diesen Argumenten: "Das Tolle ist: Ich kann, was Sie brauchen, und Sie müssen weniger für mich bezahlen, weil ich eine Frau bin." Heinemann: "Unglaublich, aber das Mädel meinte es wirklich ernst." Umso mehr ermuntert Heinemann daher ihre Studentinnen: Hört auf zu jammern und euch ständig selbst zu hinterfragen. Handelt.

Frauen haben oft keine Lust auf den toughen Kurs

Dagmar Schimansky-Geier, Chefin der auf IT-Recruiting spezialisierten Personalberatung 1A Zukunft in Bonn, kann die Klagen über ein frauenfeindliches Klima in der IT ohnehin nicht mehr hören. Ja, in Tech-Jobs sei das Klima manchmal rauer, ein Projekt entschlossen durchzuziehen ist gefragt. "Wer das aber tut, mit Passion ans Thema geht und etwas kann, wird durchaus akzeptiert, auch als Frau", sagt die Beraterin. Nur: Auf so einen toughen Kurs, haben Frauen oft keine Lust. "Frauen ticken anders."

Dagmar Schimansky-Geier ist Chefin der auf IT Recruiting spezialisierten Personalberatung 1A Zukunft in Bonn.
Dagmar Schimansky-Geier ist Chefin der auf IT Recruiting spezialisierten Personalberatung 1A Zukunft in Bonn.
Foto: 1A Zukunft

Dabei wäre Schimanksky-Geier froh über mehr Kandidatinnen für IT-Jobs. "Bringen Sie doch mal eine Frau", sagen ihre Kunden immer wieder. Doch woher nehmen? Gerade mal 16 Prozent der Namen in ihrer Datenbank sind weiblich. "Es fragen einfach keine Frauen an", so Schimansky-Geier. Vor ein paar Wochen hat sie hängeringend einen "Leiter IT-Infrastruktur" gesucht, ein sehr technisches Jobprofil. 193 mögliche Kandidaten fanden ihre Rechercheure in der internen Datenbank und auf den großen Jobplattformen - nur eine davon eine Frau. Auf die Shortlist für die Endauswahl schaffte auch sie es nicht. Ihr Profil passte doch nicht ausreichend.

Susanne Ihsen ist Professorin für Gender Studies in den Ingenieurwissenschaften an der Technischen Universität (TUM) München.
Susanne Ihsen ist Professorin für Gender Studies in den Ingenieurwissenschaften an der Technischen Universität (TUM) München.
Foto: TU München

Was also muss sich ändern, damit mehr Frauen den Schritt in die IT wagen? "Wir müssen die Bedürfnisse von Frauen stärker berücksichtigen", meint Susanne Ihsen, Professorin für Gender Studies in den Ingenieurwissenschaften an der Technischen Universität (TUM) München. Das fängt schon in der Studienberatung an, die "mehr auf Kontextbezug setzen" sollte. Ihsen: "Frauen wollen wissen, was sie mit ihrem Programmierwissen anfangen können und wem es nutzt." In der Medizininformatik etwa. "Bunter und menschlicher", sollten sich die Studiengänge präsentieren und offener für andere Disziplinen.

Dass Mädchen oft auch damit hadern, ob sie ein IT-Studium überhaupt packen, merkt Ihsen im Alltag immer wieder. Gerne empfiehlt sie ihnen das Online-Tool zum Selbstcheck, das die Initiative komm-nach-mint entwickelt hat. Studienanwärter können damit ihr Können in punkto logisches Denken, Mathe und Co überprüfen: Reichen meine Fähigkeiten? "Mädchen hilft das enorm", so Ihsen. Um Studentinnen der IT auch in höheren Semestern zu unterstützten, hat die TUM zudem ein Mentorinnenprogramm eingerichtet, in dem der Nachwuchs von erfahrenen Tutorinnen unterstützt wird und sich vernetzt.