Entscheiden mit Methode

Die Technik des "Quality Function Deployment" definiert einen klaren Weg von den Anforderungen an eine Lösung bis zum Test von Produkten. Thomas Herrmann, Geschäftsführer der Deron Systemhaus GmbH, erläutert im Gespräch mit NetworkWorld, wie seine Firma die Methode umsetzt.

Von: Dr. Klaus Plessner

NetworkWorld: Herr Herrmann, Ihre Firma unterstützt Kunden bei der Kaufentscheidung. Grundlage Ihrer Beratung sind Produkttests, deren Kriterien Sie zusammen mit den Kunden nach einem Standardverfahren namens "Quality Function Deployment" (QFD) erarbeiten. Welche Hausaufgaben müssen die Kunden machen, bevor Sie sich mit ihnen in einem Projektmeeting zusammensetzen?

Thomas Herrmann: Die Teilnehmer müssen nicht viel vorbereiten. Sie bringen das Wissen über ihr Unternehmen mit und sind sich darüber im klaren, welche Art von Lösung sie einführen möchten. Soll es zum Beispiel eine Softwareverteilung mit oder ohne Inventarisierung sein? Wollen sie die PCs mehrerer Filialen von einer Zentrale aus oder unabhängig voneinander managen?

NetworkWorld: Wie stellen Sie sicher, dass die Projektmitglieder mit klaren Vorstellungen zum Work-shop kommen?

Herrmann: Wir liefern dem Unternehmen Beispielanforderungen, damit sie sich vorher schon Gedanken machen können. Jeder Teilnehmer bringt eine Liste von Eigenschaften mit, die nach seiner Meinung durch die Lösung erfüllt werden müssen - das genügt.

NetworkWorld: Im ersten Schritt definieren Sie mit dem Projektteam die Anforderungen an eine Software, eine Hardware oder eine Lösung. Wer sollte an der Runde teilnehmen?

Herrmann: Bei der Runde machen alle mit, die mit dem geplanten System zu tun haben werden. Das sind DV-Entscheider, Netzadministratoren oder auch Mitarbeiter aus dem Helpdesk.

NetworkWorld: Es werden aber doch in den meisten Fällen mehr Mitarbeiter von einer Lösung betroffen sein, als am Ende an der Kaufentscheidung beteiligt sind.

Herrmann: Das Unternehmen benennt aus jedem Bereich einen Vertreter, der vorher die Meinungen seiner Kollegen einholt.

NetworkWorld: Sie verstehen sich auf dieser Stufe als Moderator. Wo haken Sie ein, wo korrigieren Sie den Verlauf der Diskussion um die Anforderungen?

Herrmann: Wir haken dort ein, wo wir feststellen, dass technische Fehlinformationen vorliegen, wo wir merken, dass Emotionen die Richtung der Diskussion bestimmen. Häufig bringen Teilnehmer positive oder negative Vorurteile über Produkte mit und neigen dann dazu, aus dem Bauch heraus zu wählen. Wir streben eine gedankliche Loslösung von Produkten an, damit bei der Evaluation nur die Anforderungen zählen.

NetworkWorld: Nicht nur Produktvorlieben können Entscheidungen beeinflussen. Wie vermeiden Sie, dass Konflikte auf politischer Ebene den Weg zum geeigneten Produkt versperren?

Herrmann: Sicher spielen in so manchem Unternehmen auch politische Fragen eine Rolle. Das Endergebins der Erörterung ist meistens eine gute Grundlage, um politische Entscheidungen auszuhebeln; oder aber um sie zu festigen. Ich erinnere mich an eine Sitzung, bei der die Projektgruppe aus politischen Gründen ein Produkt in die Auswahl mit einbeziehen wollte. Angesichts der Anforderungen hatte dieses jedoch keine Chance.

NetworkWorld: Falls im Unternehmen Vorurteile bestehen, könnte der Projektverantwortliche bei der Auswahl der Teilnehmer darauf achten, dass nur "richtig" gesinnte Mitarbeiter an den runden Tisch kommen.

Herrmann: Vor dem Workshop sitzen wir mit Verantwortlichen in einem mehrstündigen Gespräch zusammen und holen uns im Vorfeld schon Informationen über das Unternehmen. Daraus und aufgrund unseres Produktwissens sehen wir, welche Ansätze Sinn haben und welche nicht.

NetworkWorld: Welche Rolle spielen wirtschaftliche Aspekte? Geht auch der Preis in die Liste mit ein?

Herrmann: Wirtschaftliche Aspekte fließen mit ein. Der Preis einer Software macht jedoch nur einen Teil der Rechnung aus. Wichtig ist, dass ein System in der Pflege kostengünstig ist, dass es mit wenig Ressourcenaufwand zu bedienen ist. Auf Wunsch des Kunden hängen wir an den Beratungsprozess eine TCO-Analyse für das erste Jahr an.

NetworkWorld: Warum nehmen sie den maximalen TCO-Wert nicht in die Anforderungsliste mit auf?

Herrmann: Weil wir die Betriebs-kosten an dieser Stelle noch nicht kennen. Um die TCO zu berechnen, brauchen wir Informationen, die sich erst im Lauf des Evaluationsprozesses ergeben.

NetworkWorld: Anschließend legt der Kunde fest, welche Kriterien wichtiger sind. Sie erleichtern ihm die Arbeit mithilfe eines Matrixschemas, in dem er nur die Beziehungen zwischen jeweils zwei Anforderungen angibt.

Herrmann: Die Teilnehmer vergleichen jede Anforderung mit jeder und entscheiden sich für eine von drei Möglichkeiten - A ist wichtiger als B, A und B sind gleich wichtig oder A ist weniger wichtig als B. Im ersten Fall notieren sie eine 2, im zweiten eine 1 und im letzten Fall eine 0.

NetworkWorld: "Einfache Entscheidungen" führen den Kunden über die Matrixmethode zu einer nach Prioritäten geordneten Liste von Eigenschaften. Fällt die Gewichtung zwischen zwei Punkten in der Praxis so leicht wie sie sich in der Theorie anhört? Was, wenn sich die Projektgruppe nicht auf ein "wichtiger als" einigen kann?

Herrmann: Die Teilnehmer werden sich immer einig, nachdem wir ihnen unterstützende Hinweise geben. Wir erörtern, warum die eine Fraktion recht hat und warum auch die andere. Ich habe noch nie erlebt, dass eine strittige Frage zu keinem Ende geführt hätte.

NetworkWorld: Wie lange dauert die Matrixrunde?

Herrmann: Die Fragen lassen sich in der Regel sehr schnell abarbeiten, sodass wir die Definition und die Gewichtung der Kriterien an einem Tag schaffen; und das, obwohl die Teilnehmer sehr viele Fragen meistern müssen. Bei 50 Anforderungen treffen sie über 1200 Entscheidungen.

NetworkWorld: Wie geht es dann weiter?

Herrmann: Im ersten Schritt haben wir mit dem Kunden die Anforderungen festgelegt und nach ihrem Gewicht in eine Reihenfolge gebracht. Noch am gleichen Tag werden Produkte festgelegt, die in die Bewertung einfließen. Nicht alle auf dem Markt erhältlichen Lösungen sind sinnvoll, einige lassen sich angesichts der Anforderungen von vornherein ausscheiden. Wir benennen drei bis sechs Kandidaten und berücksichtigen auch Vorschläge der Teilnehmer.

NetworkWorld: Jetzt bewerten Sie die Produkte in ihrem Testlabor. Nach welchen Kriterien prüfen sie die Alternativen?

Herrmann: Wir bewerten und tes-ten in der Reihenfolge der Anforderungen von Rang eins bis Rang x, zu wieviel Prozent die Kriterien erfüllt sind. Dabei kommen viele Randbedingungen zum Tragen. Zum Beispiel kann eine geforderte Eigenschaft zwar erfüllt sein, ihre Umsetzung aber einen großen Aufwand erfordern. Oft stehen auch drei oder vier Anforderungen miteinander in Zusammenhang.

NetworkWorld: Mit den Tests ermitteln sie zwei bis drei Sieger, die die geforderten Eigenschaften am besten erfüllen. Diese gehen in die letzte Runde.

Herrmann: Die Unternehmen testen die Produkte der engeren Wahl in ihrer Umgebung. Auf Wunsch beraten wir sie beim Entwurf eines geeigneten Testaufbaus, der neben den Anforderungen auch tägliche Aufgaben und Probleme berücksichtigen soll.

NetworkWorld: Lässt sich das Verfahren auch auf Hardware oder auf Services eines Providers anwenden?

Herrmann: Mit der Matrixmethode kann man alles gewichten.

NetworkWorld: Was müssen Firmen beachten, die diese Evaluierungstechnik selbst anwenden wollen?

Herrmann: Sie brauchen einen kompetenten Moderator, der Erfahrungen mit allen infrage kommenden Produkten hat. Die Kombination aus Produktwissen und der Matrixmethode verkürzt den Evaluierungsprozess auf vier bis acht Tage bei einer geringen Ressourcenbindung im Unternehmen. Ohne das erforderliche Produkt-Know-how benötigt eine Firma für den Vorgang mehrere Monate, auch wenn sie nach dem QFD-Verfahren vorgeht. Wir empfehlen deshalb einen externen Berater, der von den Vorurteilen über Produkte und den politischen Ansichten im Unternehmen frei ist.