"Der Service steht im Vordergrund"

Mobile Endgeräte sind die ideale Plattform für Application Service Providing (ASP), verfügen sie doch meist nicht über genügend Speicher und Rechenleistung, um komplexe Softwareprogramme selbstständig ausführen zu können. Günter Fink, Ansprechpartner für Wireless Application Services im ASP-Konsortium, erläutert gegenüber NetworkWorld, warum die Chance für Anbieter in der Diversifizierung liegt, und welchen Anforderungen eine Lösung genügen muss, damit sie als "wireless ready" gelten kann.

Von: Dr. Thomas Hafen

NetworkWorld: Warum sollte ein Unternehmen mobile Services im ASP-Modell in Anspruch nehmen?

Günter Fink: Das hat zum einen Kostengründe. Wer eine mobile Infrastruktur selbst aufbauen will, muss neben dem Know-how viel Geld aufbringen. Da kommt schnell ein sechs- oder siebenstelliger Betrag zusammen. Die Unternehmen überlegen sich aber heute sehr genau, worin sie investieren wollen. Zum anderen haben die Netzbetreiber noch nicht den richtigen Zugang zum Markt gefunden. Sie konzentrieren sich stark auf das Endkundengeschäft, statt ein breites Portfolio an Business-Lösungen aufzubauen.

NetworkWorld: Welche Angebote gibt es bereits, und wie wird sich der Markt weiter entwickeln?

Fink: Der Trend geht hin zur Integration von Sprach- und Datenservices. Es gibt heute schon sehr gute, branchenspezifische Angebote, vor allem im Bereich Customer Relationship Management. Eine Sales Force Automation mit mobiler Anbindung ist kein Problem mehr.

NetworkWorld: Für welche Branchen eignet sich Wireless ASP am besten?

Fink: Im Moment sehe ich die Automobil- und Finanzindustrie als Vorreiter. Mittlerweile wollen alle großen Unternehmen in diesen Branchen mobile Dienstleistungen für ihre Kunden anbieten. Das wird nicht nur das Mobilfunkgeschäft beleben, sondern auch dem Bereich Pub-lic WLAN Impulse geben. Der Nutzer kann sich dann beispielsweise das neueste Kartenmaterial für sein Navigationsgerät an Tankstellen oder Raststätten per Wireless LAN he-runterladen; über die aktuelle Verkehrssituation wird er per Mobilfunk informiert. In diesem Bereich sehe ich ausgezeichnete Chancen für Application-Serviceprovider.

NetworkWorld: Welche Provider sind hier schon aktiv?

Fink: Im Moment sind das Unternehmen, die nicht so sehr den ASP-Gedanken in den Vordergrund stellen, sondern sich auf mobile Themen spezialisiert haben. Ein gutes Beispiel ist das Systemhaus Intrix. Es bietet seine Produkte sowohl als Inhouse-Lösung als auch als ASP oder Managed Solution an.

NetworkWorld: Steht also jetzt die Lösung im Vordergrund und nicht mehr das Verbreitungsmodell?

Fink: Ja, genau. In der Vergangenheit war ja die Botschaft: "Ich bin ASP". Jetzt geht es darum, die Technik zu beherrschen und Lösungen anzubieten.

NetworkWorld: Sie entwickeln eine "Mobile-Ready"-Zertifizierung für Applikationen. Welche Kriterien müssen Lösungen und Dienste erfüllen, um das Zertifikat zu erhalten?

Fink: Sie müssen auf Standards basieren. Außerdem ist ein modularer Aufbau entscheidend und der traditionelle One-to-many-Ansatz muss berücksichtigt sein. Implementierungszeiten von mehreren Tagen sind indiskutabel. Zudem ist eine strukturierte und optimierte Infrastruktur im Hintergrund erforderlich.

NetworkWorld: Welche Rolle spielt dabei die Sicherheit?

Fink: Eine ganz entscheidende. Das Thema ist im Infrastruktur-Bereich ja genügend diskutiert worden. Aber was ist mit Sicherheitslöchern in der Software selbst? Modulare Produkte haben eine Vielzahl von Schnittstellen. Wer verhindert, dass Hacker über diese an sensible Daten kommen?

NetworkWorld: Wie unterscheiden sich Service Level Agreements (SLA) für mobile Applikationen von denen für Anwendungen, die über das Festnetz bereitgestellt werden? Wie können Anbieter und Kunden deren Einhaltung sicherstellen?

Fink: Die Unterschiede sind sehr groß. Eine Verfügbarkeit von beispielsweise 98 Prozent lässt sich im Wireless-Bereich nur schwer garantieren. Für eine Applikation kann ich natürlich SLAs festlegen, aber wie wollen Sie garantieren, dass ein Mobilfunkprovider zu einem gegebenen Zeitpunkt und an einem bestimmten Ort erreichbar ist?

NetworkWorld: Wie sieht ein tragfähiges Geschäftsmodell für ASP aus?

Fink: Das allein selig machende Geschäftsmodell gibt es nicht, das haben die Erfahrungen der vergangenen zwei Jahre nur allzu deutlich gezeigt. Für Serviceprovider gilt die ganz normale wirtschaftliche Betrachtung: Wo bin ich profitabel und wo nicht? Die große Herausforderung wird darin bestehen, die bereits vorhandenen Einzelkomponenten zu einem sinnvollen Ganzen zu kombinieren. Das können derzeit nur wenige. Auch das Modell Inhouse-ASP kann funktionieren. Ein gutes Beispiel sind die bereits genannten Industriebereiche. Dort kann schon heute ein Hersteller oder Dienstleister seine Lösungen als Application-Service für seine Geschäftspartner anbieten.

NetworkWorld: Das klassische Geschäftsmodell für Application-Serviceprovider hat also nicht funktioniert?

Fink: So sieht es aus. Der Service und das Produkt müssen im Mittelpunkt stehen, nicht die Verbreitungsform.

NetworkWorld: Welche Billing-Modelle werden sich durchsetzen?

Fink: Ganz entscheidend ist eine Abrechnung über einen einzigen Account, unabhängig davon, über welche Übertragungstechnik ich meine Verbindung aufgebaut habe. Technisch ist das heute schon möglich. Nur die Betreiber können sich noch nicht einigen.

NetworkWorld: Wenn wir uns in einem Jahr wieder unterhalten - wo, glauben Sie, wird der Markt für Wireless Application Services die größten Fortschritte gemacht haben?

Fink: Die größten Fortschritte werden in der Diversifizierung liegen. Den Ansatz "einer für alles" wird es nicht mehr geben. Was Technologie und zukunftsweisende Geschäftsmodelle angeht, stehen wir erst am Anfang einer rasanten Entwicklung. Wer die richtige Nische findet, wird auch als ASP Geld verdienen können.