Der kleinste gemeinsame Nenner

Wer verschiedene TK-Anlagen in einem Corporate Network unter einen Hut bringen will, muß auf das Quersignalisierungsprotokoll QSIG zurückgreifen. Auf diesen gemein-samen Nenner haben sich die elf größten Hersteller geeinigt.

Von: Michael Sapich

Wachsende Anforderungen und vielfältige Erwartungen großer Unternehmen sind die bewegenden Kräfte im Bereich der Telekommunikation. Das oberste Ziel bei der Überprüfung von Kommunikationsdienstleisungen ist dabei die Kostenoptimierung. Vor diesem Hintergrund verbinden Unternehmen ihre Zentralen mit den Niederlassungen, Heimarbeitsplätzen und den mobilen Anwendern zu einem Corporate Network.

Analoge Leitungen zwischen TK-Anlagen waren anfänglich bestens geeignet, die Anforderung dieser Anwender nach Sprachtelefonie zu erfüllen. Solche Netzwerke waren die Vorgänger der Corporate Networks. Heute steht nicht mehr die Sprachübertragung allein im Vordergrund, sondern Daten-, Video- und Multimedia-Verkehr nehmen einen immer größeren Anteil an der Übertragung innerhalb von unternehmenseigenen Netzen ein. Voraussetzung für diesen Schritt war die Entwicklung von leistungsstarken Signalisierungsprotokollen, wie beispielsweise QSIG (Unified International Corporate Network Signalling Standard), welche die Vorteile digitaler Übertragungstechnik erst hervorheben.

Parallel zu diesem Schritt wurde ISDN vor allem in Europa und Japan zum wichtigsten Übertragungsmedium zu öffentlichen Telefonnetzen. Trotz der mannigfachen Vorteile, die das öffentliche ISDN bietet, sehen viele Unternehmen einen wirtschaftlichen Gewinn im Betreiben eines eigenen Telekommunikationsnetzes. Offensichtliche Gründe für solche Corporate Networks sind die reduzierten Kommunikationskosten, eine erhöhte Sicherheit und die Möglichkeit, das Netzwerk und die darin implementierten Dienste an den sich ständig ändernden Geschäftsumgebungen schnell und effizient anpassen zu können. Gerade bei größeren Unternehmen ist ein heterogenes TK-Anlagenumfeld anzutreffen. Firmenzusammenschlüsse oder der Wunsch nach Unabhängigkeit von nur einem einzigen Lieferanten sind einer der wenigen Gründe, die einem homogenen TK-Anlagenverbund entgegenstehen. Um so wichtiger ist die Entscheidung für ein standardisiertes und effizient zwischen den TK-Anlagen implementiertes Signalisierungsprotokoll, wie es QSIG darstellt.

Die Vorteile von QSIG lassen sich wie folgt skizzieren: Herstellerunabhängigkeit: QSIG ist kein proprietärer Industriestandard, sondern eine Norm, die von allen führenden TK-Anlagenherstellern unterstützt wird. Knackpunkt ist jedoch, wieweit die Hersteller QSIG umsetzen. Sichergestellte Interoperabilität: Die Entwicklung und Unterstützung von QSIG wurde im Februar 1994 durch die Unterzeichnung eines Memorandum of Understanding (MoU) der elf führenden TK-Anlagenhersteller sichergestellt. Diese gemeinsame Verständigung bedeutet für die Anwender, die Corporate Networks auf Basis unterschiedlicher Hersteller betreiben, daß die Interoperabilität ihrer TK-Anlagen gewährleistet ist. Flexibler Nummernplan: Beim Einsatz vom QSIG gibt es keinerlei Einschränkung bezüglich des Nummernplans. Flexible Art der Anschaltung: Da die wichtigsten QSIG-Funktionen oberhalb Ebene 3 des OSI-Referenzmodells definiert sind, können als Übertragungsmedium analoge Leitungen und digitale Leitungen mit zwei oder vier Drähten (beispielsweise ISDN-Basis- und Primärmultiplexanschlüsse) sowie Satellitenverbindungen eingesetzt werden. Die QSIG-Signalisierungsinformationen können nicht nur "inband", das heißt im eigentlichen Sprachkanal, übertragen werden. Dadurch bietet sich bei der Wahl des Signalisierungskanals die Möglichkeit, einen virtuellen Kanal in einem paketvermittelnden Netz wie beispielsweise X.25 oder Frame-Relay zu verwenden. Kompatibilität mit ISDN: Für ISDN entwickelte Anwendungen lassen sich auch in Corporate Networks basierend auf QSIG einsetzen, da QSIG wie ISDN auf denselben ITU-T-Empfehlungen basiert. Dienstetransparenz: In einem auf QSIG basierten Netz müssen nicht alle Netzknoten über dieselben Dienstearten verfügen. Wenn ein Knoten einen bestimmten Service nicht unterstützt, leitet er die Information an einen Knoten weiter, welcher über die passenden Funktionen verfügt (siehe Bild 1). Spezielle Mechanismen, die über die QSIG Generic Functional Procedures (QSIG GF) abgehandelt werden, erlauben darüber hinaus auch die Übertragung von Nicht-Standardeigenschaften. Anwendungsvielfalt: Durch QSIG lassen sich nicht nur TK-Anlagen miteinander verbinden, sondern auch beispielsweise Faxserver, Voice-Mailserver oder Basisstationen drahtloser Telefone.

Die QSIG-Architektur

Für die Definitionen in Zusammenhang mit QSIG sind gegenüber der ISDN-Norm zwei neue Referenzpunkte notwendig, der Q- und der S-Referenzpunkt. Solche Referenzpunkte sind von der ITU definierte Schnittstellen, die die Übertragungsstrecke in ihre Elemente aufteilen. In Bild 2 sind diese zusammen mit den wichtigsten ISDN-Referenzpunkten dargestellt. Der Q-Referenzpunkt ist dabei der logische Endpunkt der Signalisierung zwischen zwei TK-Anlagen. Die physikalische Anschaltung zweier TK-Anlagen wird am C-Referenzpunkt durchgeführt. Abhängig von der Anbindungsart an das WAN werden Schnittstellen zum C-Referenzpunkt beispielsweise bei digitalen Mietleitungen nach G.703 oder zum T-Referenzpunkt bei Übergängen zu einem ISDN-Netz unterstützt.

Das QSIG-Protokoll definiert ein Signalisierungssystem am Q-Referenzpunkt und paßt sich ebenso wie ISDN (hier DSS-1) in das OSI-Referenzmodell ein (siehe Bild 3). Beide Protokolle können über identische Schichten 1 und 2 verfügen, unterscheiden sich jedoch in der Netzschicht. Da QSIG an einem "logischen" Referenzpunkt festgelegt wurde, werden somit eine Vielzahl von physikalischen Zugängen unterstützt. Die Netzschicht unterteilt sich in drei Zwischenschichten (Bild 3). Die QSIG-Basic-Calls-Schicht stellt ein symmetrisches Peer-to-Peer-Protokoll für Transitknoten zur Verfügung. Mit der QSIG-Schicht "Generic Functional Procedures" (QSIG GF) lassen sich in einer standardisierten Weise Informationen über zusätzliche, erweiterte Netzwerkdienste austauschen. Dabei sind diese zusätzlichen Dienste nicht innerhalb der QSIG GF festgelegt; es werden lediglich Mechanismen zur Übertragung dieser Dienste angeboten. Die dritte Unterschicht, die QSIG-Protokolle für Supplementary Services, stellen am Q-Referenzpunkt spezielle Protokolle für individuelle Dienste zur Verfügung.

QSIG unterstützt eine breite Palette von Basisdiensten, Generic Functional Procedures und zusätzlichen Diensten, welche alle mit zur Optimierung von Geschäftsprozessen beitragen können. Dabei steht mehr die Verbesserung bestimmter Ruftypen und die Leistungsfähigkeit des gesamten Netzwerkes im Vordergrund als die direkte Unterstützung eines einzelnen Anwenders. Aus diesem Grund werden diese Eigenschaften nicht Supplementary Services (ergänzende Dienste) genannt, sondern haben den Namen Additional Network Features. Hier nun einige ausgewählte, durch QSIG unterstützte Dienste:

Call Completion: Bei der Call Completion werden zwei unterschiedliche Ruftypen angeboten, die sich durch die Art der Nichterreichbarkeit unterscheiden. CCBS (Completion of Calls to Busy Subscriber) informiert den initiierenden Anrufer (A-Teilnehmer), wenn der zum Zeitpunkt des erstmaligen Verbindungswunsches besetzte B-Teilnehmer wieder frei wird. Anders ausgedrückt: der Gerufene ist besetzt und wird durch Beenden des aktuellen Gespräches frei. Ist der gewünschte B-Teilnehmer nicht erreichbar, so daß keine Verbindung zustande kommt, wird durch CCNR (Completion of Calls on No Reply) der A-Teilnehmer dann informiert, wenn der B-Teilnehmer das nächste Gespräch, das er führt, beendet hat - sprich: den Telefonhörer auflegt. Call Forwarding: Verschiedene Arten der Rufweiterleitung werden durch QSIG unterstützt. Bei CFB (Call Forwarding Busy) werden nur ankommende Anrufe weitergeleitet, die auf ein Besetztsignal treffen. CFU (Call Forwarding Unconditional) dagegen leitet alle ankommenden Rufe weiter. Wird ein ankommender Ruf innerhalb eines definierbaren Zeitintervalls nicht angenommen, kann dieser durch Aktivieren von CFNR (Call Forwarding No Reply) weitergeleitet werden. Identification Services: Verschiedene Dienste zur Anzeige zusätzlicher Benutzerinformationen werden in QSIG-Netzwerken angeboten. Dem B-Teilnehmer wird durch CLIP (Calling Line Identification Presentation) die Telefonnummer des A-Teilnehmers und falls verfügbar sogar die Nebenstellennummer angezeigt. Dem A-Teilnehmer wird durch COLP (Connected Line Identification Presentation) die Nummer des B-Teilnehmers angezeigt. Dadurch wird dem A-Teilnehmer die Nummer sogar bei einer Anrufweiterschaltung angezeigt. Durch den Dienst CLIR (Connected/Calling Line Identification Restriction) kann die Nummernanzeige unterdrückt werden. Dabei kann dies für alle Rufe oder nur für spezielle Rufe ausgewählt werden. Anstatt die Nummer des A- oder B-Teilnehmers kann auch der Name des Anwenders angezeigt werden. Dies erfolgt durch CNIP (Calling Name Identification Presentation), CONP (Connected Name Identification Presentation) und CNIR (Connected/Calling Name Identification Restriction) analog zu den oben beschriebenen Diensten. Bei Übergängen von öffentlichen ISDN-Netzen in QSIG-Netzwerke werden CLIP, COLP und CLIR transparent unterstützt. Advice of Charge: Die Anzeige von Gebühreninformationen ist ähnlich zu derjenigen in öffentlichen ISDN-Netzen definiert, wobei auch hier verschiedene Arten unterstützt werden. Die Gebühreninformation kann beim Verbindungsaufbau, während der Verbindung oder auch als Gesamtwert angezeigt werden.

QSIG ist ein Protokoll, das speziell für den Einsatz in Corporate Networks entwickelt worden ist und von allen führenden TK-Anlagenherstellern unterstützt wird. Das Einsatzgebiet von QSIG erstreckt sich sowohl auf nationale als auch auf internationale Netze, welche aus Komponenten unterschiedlicher Hersteller bestehen können. Aufbauend auf der Basis von ISDN, der Herstellerunabhängigkeit und der zugesicherten Interoperabilität stellt QSIG eine breite Palette von Diensten zur Verfügung, die eine zuverlässige und effiziente Kommunikation garantieren. Weiterführende Hinweise über den aktuellen Stand des QSIG-Protokolls mit Glossar, Definitionen und beteiligten Unternehemen finden sich unter http://www.qsig.ie/cont.html.

(hjs)