A.T. Kearney-Studie Beruf und Familie

Der 80-Prozent-Mann

Rund jeder zweite Mann, ob mit Kindern oder ohne, erwartet berufliche Nachteile, falls er seine Arbeitszeit reduziert. Doch sie würden gern mehr Zeit für die Familie haben.

"Das Verhältnis zwischen Beruf und Familie hat sich für Unternehmen und Mitarbeiter grundlegend gewandelt. Statt Beruf oder Familie gilt zwingend: Beruf und Familie." Das erklärt jedenfalls Harry Moser, Leiter Personal- und Unternehmensentwicklung beim saarländischen Energieversorger VSE AG. Die Unternehmensberatung A.T. Kearney stellt dieses Zitat ihrer Studie "Vereinbarkeit wagen" voran. An dieser haben sich gut 1000 Beschäftigte im Alter von 18 bis 67 beteiligt, es ist A.T. Kearneys dritter Report zu diesem Thema.

Noch scheinen Wunsch und Wirklichkeit auseinanderzuklaffen. Die Berater verdeutlichen das am "80-Prozent-Mann". Konkret: Viele Väter würden gerne nur vier statt fünf Tage arbeiten, um mehr Zeit für die Familie zu haben. Doch das sei noch nicht akzeptiert, vermuten die Befragten. In Zahlen: Mehr als jeder zweite Vater (53 Prozent) befürchtet im Fall einer Arbeitszeitreduktion berufliche Nachteile. 43 Prozent ihrer kinderlosen Kollegen stimmen zu.

Offenbar haben es Frauen in diesem Punkt leichter. Werden die Antworten aller Befragten - Männer wie Frauen - zusammengezählt, erklären 67 Prozent, dass Teilzeit für Frauen in den Unternehmen akzeptiert ist. So sehen das bei den Männern mit nur 36 Prozent sehr viel weniger. Zum besseren Verständnis: A.T. Kearney hat hier nach "vollzeitnaher Teilzeit" gefragt, damit ist eine Reduktion auf 80 bis 90 Prozent gemeint.

Das widerspricht den Wünschen der arbeitenden Väter. 83 Prozent geben an, sie würden gerne weniger arbeiten. Gleichzeitig erklären jedoch nur 64 Prozent, sie könnten ihre aktuelle Position auch in vollzeitnaher Teilzeit ausüben, wenn Kollegen ihnen Tätigkeiten abnähmen.

Maßnahmen zur Arbeitszeitreduzierung

Die Berater wollten wissen, welche Maßnahmen Unternehmen Vätern anbieten und wie diese genutzt werden. Meist entscheiden sich Männer für flexible Tages- und Wochenarbeitszeiten (51 Prozent der Nennungen). Außerdem vereinbaren sie Auszeiten oder Sonderurlaub (30 Prozent) oder richten ein Arbeitszeitkonto ein (19 Prozent).

Der Gesetzgeber versucht, mit dem ElterngeldPlus-Gesetz einzugreifen. A.T. Kearney hat die Erwerbstätigen gefragt, ob das Gesetz die Akzeptanz für Teilzeit in der Wirtschaft steigert. Hier werden wiederum geschlechtsspezifische Unterschiede deutlich. 56 Prozent glauben, dass es die Akzeptanz für teilzeitarbeitende Frauen erhöht - bei den Männern sagen das nur 37 Prozent.

Grenzen der Erreichbarkeit außerhalb der Arbeitszeit

Ein weiteres Ergebnis der Studie bezieht sich auf das Thema der ständigen Erreichbarkeit. Insbesondere Mütter (96 Prozent) und Väter (98 Prozent) im Alter von 25 bis 40 Jahren pochen auf ihr Recht, in der Freizeit für den Arbeitgeber nicht erreichbar zu sein.

Im Durchschnitt aller Befragten erklärt eine Mehrheit von 80 Prozent, der Mitarbeiter sei selbst dafür verantwortlich, seiner Erreichbarkeit Grenzen zu setzen. A.T. Kearney kommentiert, man dürfe die Arbeitgeber nicht aus der Verantwortung entlassen. "Vor allem Führungskräfte tragen die Verantwortung, ihre Mitarbeiter/-innen aktiv zu führen und klare Spielregeln zu definieren, die beispielsweise Arbeiten in den Abend- und Wochenendstunden festlegen. Direkte Vorgesetzte sollten ein wachsames Auge auf eine funktionierende Selbstverantwortung ihrer Mitarbeiter/-innen haben", schreiben die Consultants.

Faktisch erklären 40 Prozent der Studienteilnehmer, von ihnen würde "häufig bis sehr häufig" erwartet, außerhalb der Arbeitszeit erreichbar zu sein. Lediglich 24 Prozent sagen, sie würden nie angerufen oder per Mail kontaktiert.

Flickenteppich statt verlässliche Familienpolitik

A.T. Kearney ergänzt die Befragung um ein Interview mit Jutta Allmendinger. Die Professorin ist Präsidentin des Wissenschaftszentrums Berlin für Sozialforschung (WZB). Allmendinger stellt den familienpolitischen Maßnahmen kein gutes Zeugnis aus. Sie sagt: "Im Moment stehen die Menschen vor einem Flickenteppich, werden vom Ehegattensplitting und dem Betreuungsgeld in die eine Richtung und von den Vätermonaten in die andere Richtung gelenkt. Stattdessen müssen die Maßnahmen in eine einheitliche Richtung zielen, auf die sich die Menschen verlassen können."