Chef nicht immer schuld

Burnout durch eigenen Perfektionismus

Perfektionisten sind keineswegs produktiver

Thomas Curren, wissenschaftlicher Mitarbeiter an der Medizinischen Fakultät der Universität von Bath und einer der Autoren der Studie: "Entgegen der gängigen Auffassung, dass Perfektionismus ein Zeichen von Leistungsfähigkeit und Erfolgsdenken ist, deuten unsere Erkenntnisse Perfektionismus als eher destruktiven Charakterzug."

Perfektionismus, so Curren, sei keine Basis für Erfolg; Sorgfalt, Flexibilität und Beharrlichkeit dagegen wesentlich nützlicher. Denn Perfektionisten sind keineswegs produktiver als ihre Kollegen, stattdessen erleben sie ihre Arbeit häufig als schwierig und stressig. Besonders schwer fällt es ihnen, mit Unsicherheiten umzugehen.

Dass diese Unsicherheiten nicht die Ausnahme, sondern der Normalfall sind, darauf weist Thomas Curren in einem Beitrag für die Online-Wissenschaftszeitschrift The Conversation auf unterhaltsame Weise hin.

Er zitiert Voltaires berühmten Satz "Perfektion ist der Feind des Guten" und seinen rasanten Reiseroman "Candide oder der Optimismus". Dessen Held muss nach einer schier endlosen Abfolge von Unglücken und unwahrscheinlichen Rettungen erkennen, dass es "die beste aller möglichen Welt" nicht gibt.

Lob fürs Scheitern

Heute, findet Curren, wird unser Alltag aber geradezu beherrscht vom Streben nach Perfektionismus. "Vom Sport über die Schule bis ins Büro - und überall dazwischen." Perfektes abzuliefern sei der Inbegriff von Erfolg. "Aber diese Gleichsetzung enthält einen immanenten Fehler: Weil Perfektion niemals wirklich erreicht werden kann, führt das permanente Streben danach zwangsläufig zur Verzweiflung."

Oder zum Burnout. Deshalb sollten Chefs vielleicht eher darauf achten, den Perfektionismus ihrer Angestellten zu bremsen, anstatt sie - wie von Gallup empfohlen - rituell für jede halbwegs gelungene Präsentation zu loben.

Beziehungsweise die Angestellten sollten einfach ihre Arbeit so gut es geht erledigen und darin ihre Zufriedenheit finden. Ganz so wie Voltaires Held Candide, der am Ende seiner langen Reise als Bauer sesshaft wird.

Es brennt von innen: Viele Fälle von Burnout sind übertriebenem Perfektionismus des Einzelnen geschuldet.
Es brennt von innen: Viele Fälle von Burnout sind übertriebenem Perfektionismus des Einzelnen geschuldet.
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Einige Unternehmen haben den Zusammenhang begriffen: Der Google-Konzern zum Beispiel schob in den zurückliegenden Jahren mehrere Initiativen an, um den Perfektionismus seiner Angestellten zu bremsen. So gab es demonstratives Lob, wenn Initiativen Einzelner oder von Angestelltengruppen gescheitert waren.

Ob das US-Unternehmen, das dafür bekannt ist, vieles auszuprobieren und sich bei Nichtgefallen schmerzfrei wieder zu beerdigen, bei diesem Thema zum Trendsetter wird, darf allerdings bezweifelt werden.