Auf Wachstum geeicht

Bis zum Jahr 2002 verliert die Deutsche Telekom 20 Prozent Anteil am deutschen Markt der TK-Dienste (von 80 auf 61 Prozent). Dies hat Datapro kürzlich in einer Studie ermittelt. Zu den Gewinnern gehören vor allem Mannesmann Arcor mit 13 Prozent, Otelo und Viag Interkom mit je drei Prozent, City Carrier sowie sonstige Mitbewerber.

Von: Falk Müller-Veerse

In der Studie "German Telecoms Market" hat das Marktforschungsunternehmen Datapro untersucht, wie sich der deutsche TK-Markt innerhalb der nächsten fünf Jahre entwickelt. So soll der Gesamtmarkt von 90 Milliarden Mark (1997) auf 153 Milliarden Mark im Jahr 2002 wachsen (siehe Tabelle 1). Am stärksten werden im untersuchten Zeitraum die TK-Dienste zulegen: von 71 Milliarden Mark auf fast 130 Milliarden, also mehr als zehn Prozent jährlich.

Deutlich geringer fällt der Zuwachs im Bereich TK-Ausrüstung und -Anlagen aus: von knapp 19 Milliarden (1996) auf rund 25 Milliarden Mark (2002). Der Hauptgrund liegt im Preisverfall, der sich durch den verstärkt einsetzenden Wettbewerb beschleunigt. Dabei können die Anwender mittelfristig von einer jährlichen Preisreduzierung in Höhe von zehn Prozent ausgehen.

Sprachtelefonie geht zurück

Stark zurückgehen wird bei den TK-Diensten der Anteil der klassischen Sprachtelefonie. Während 1996 die Orts-, Fern- und internationalen Gespräche noch etwa 63 Prozent des Umsatzes ausmachten, sinkt dieser Anteil voraussichtlich auf 45 Prozent. Trotz allgemein sinkender Preise nehmen die Dienste weiterhin in absoluten Werten zu (Tabelle 2).

Das größte Potential liegt im Mobilfunk und in der Datenkommunikation. Der Mobilfunk steckt nach Erkenntnissen von Datapro in Deutschland heute noch in den Kinderschuhen. Mit einer Penetrationsrate von gerade mal sieben Prozent hinkt der hiesige Markt den skandinavischen Ländern (über 30 Prozent) weit hinterher.

Mobilfunk hat Nachholbedarf

Datapro rechnet damit, daß sich der Mobilfunkbereich bis zum Jahr 2002 nahezu verdreifacht. Die Prognose geht von weit über 20 Millionen Teilnehmern aus. Das Telefonierverhalten verlagert sich noch mehr zugunsten der mobilen Kommunikation, wobei die Preise aber günstiger werden müssen. Ein großes Potential steckt auch in der mobilen Datenkommunikation, die sich bisher nicht richtig durchzusetzen vermochte. Jedoch wird dieser Bereich - zunächst im Geschäftskundensegment - eine wesentlich bedeutendere Rolle spielen, sobald diese Technik benutzerfreundlicher und einfacher geworden ist. Auch der Zugriff zum Internet über mobile Terminals wird ein wesentlicher Faktor für den Anstieg der Datenkommunikation.

Das phänomenale Wachstum des Internet hat nicht nur Firmen wie Microsoft überrascht, sondern auch die meisten traditionellen Telekommunikationsanbieter. Datapro geht davon aus, daß das Internet maßgeblich zum Wachstum der Datenkommunikation beiträgt. Der Anteil soll sich im untersuchten Zeitraum mehr als vervierfachen. Auch Dienste wie zum Beispiel ATM, LAN-to-LAN-Anbindung oder Frame-Relay werden ihren Beitrag leisten, der Datenkommunikation zu einem Anteil von etwa 15 Prozent am deutschen TK-Dienstemarkt im Jahr 2002 zu verhelfen.

Den Bereich Kabelfernsehen hat Datapro ebenfalls unter die Lupe genommen, da er auch einen TK-Dienst darstellt. Er wird "nur" um 50 Prozent im Vorhersagezeitraum wachsen (von 4,5 auf 6,5 Milliarden Mark). Das ist jedoch weniger darauf zurückzuführen, daß sich das Kabelfernsehnetz nicht als Übertragungsmedium für Telefonie und multimediale Anwendungen eignen würde. In den USA und im benachbarten Ausland wie in Großbritannien, den Niederlanden, Belgien und Österreich gibt es starke Bestrebungen und bereits konkrete Projekte, in denen Daten und Sprache über HFC (Hybrid Fiber Coax) und mittels Kabelmodems geschickt werden. Auch in Deutschland sind Testprojekte im Gange. Ein Beispiel ist das Projekt "Infocity NRW" von Otelo.

Kabel-TV-Netz für Datenübertragung

Das Problem mit dem Kabelfernsehnetz liegt darin, daß es grundsätzlich der Deutschen Telekom gehört und nur rund zwei Drittel der Haushalte von anderen Anbietern versorgt werden. Diese Anbieter tragen allerdings nur die Verantwortung für das letzte Stück der Kundenanbindung. Solange die Telekom ihr Kabel-TV-Netz nicht aufrüstet und rückkanalfähig macht, ist es unmöglich für die konkurrierenden Gesellschaften, selbst in den TK-Markt einzusteigen. Die Deutsche Telekom hat nicht vor, ihr Kabelfernsehnetz zu verkaufen, obwohl sie damit Jahr für Jahr Verluste einfährt. Dieses Netz wäre eine starke Waffe im Wettbewerb, denn damit könnte in weniger als zwei Jahren ein multimediataugliches Übertragungsnetz in Konkurrenz zur Telekom entstehen. Derzeit setzt die Telekom auf die weitere Verbreitung von ISDN. Was danach kommt, ist die interessante Frage: es wird vermutlich die XDSL-Technik sein, die es ermöglicht, das bestehende Leitungsnetz auf Kapazitäten von mehreren Mbit/s aufzubohren.

Die Deutsche Telekom ist der dominierende Anbieter im Markt und wird es auf absehbare Zeit auch bleiben. Allerdings wird ihr Marktanteil am TK-Dienstemarkt in den nächsten fünf Jahren auf zirka 60 Prozent sinken. Verglichen mit 1996, als der Noch-Monopolist bei der öffentlichen Sprachtelefonie noch 80 Prozent des Marktes für sich beanspruchen konnte, scheint das ein gewaltiger Verlust zu sein. Dies wird bei weitem ausgeglichen durch das schnelle Wachstum des Marktes im allgemeinen und die Umsatzsteigerungen der Telekom im besonderen (siehe Tabelle 2). Alle neuen Carrier oder Carrier-Segmente haben ein Wachstumspotential, das aber durchaus unterschiedlich ausfallen wird.

Stärkster Konkurrent

Als stärkster Konkurrent der Telekom kristallisiert sich der Mannesmann-Konzern heraus mit seinen Telekommunikationstöchtern Mannesmann Mobilfunk und Mannesmann Arcor. Mit dem D2-Netz als Marktführer erwirtschaftet der Mobilfunkarm zur Zeit kräftige Gewinne. Die Erfahrungen im Bereich des Kundenmanagements, des Kundenservice, der Distributionskanäle und der Kundenbindung will Mannesmann nutzen für die Festnetzaktivitäten unter der Arcor-Flagge. Mit im Boot bei Arcor sind neben den internationalen Partnern AT&T, Unisource und Airtouch die Deutsche Bank sowie die Deutsche Bahn. Der Telecom-Ableger der Bahn, die DBKom, ist mit CNI zusammen in Arcor aufgegangen und hat außer 40 000 Festnetzkilometern auch 6500 Mitarbeiter mitgebracht. Ob Arcor von der personellen Stärke nur Vorteile hat oder ob es eine Barriere darstellt, ist umstritten. Die Gruppe um Mannesmann, die heute noch die Minderheit an Arcor besitzt, hat die Möglichkeit, die Beteiligung in absehbarer Zeit auf 75 Prozent aufzustocken. In der Datapro-Studie wurde geschätzt, daß sich der Marktanteil von Mannesmann auf ungefähr 13 Prozent bis 2002 steigern wird - überwiegend aufgrund der positiven Entwicklung beim Mobilfunk.

Mitbewerb noch auf Partnersuche

Weitere ernsthafte Wettbewerber sind Otelo und Viag Interkom, die sich beide auf etwa drei Prozent des gesamten Dienstemarktes vorarbeiten werden. Auf den ersten Blick erscheint das nicht viel; es ist bedingt durch die jetzige Ausgangssituation mit relativ geringen Einkünften, die ins Unternehmen zurückfließen. Nachteilig haben sich die ständigen Änderungen der Allianzen ausgewirkt, die hinter Otelo und Viag Interkom stehen. Sie haben den Fokus auf das Kerngeschäft verzögert. So stieg die RWE bei der Viag Interkom aus und bei Veba ein, aber gleich darauf verabschiedete sich der britische Partner Cable & Wireless aus der Allianz. Solange die Suche nach einem neuen internationalen Partner im Gange ist, wird der C&W-Anteil treuhänderisch verwaltet. Dabei wird vor allen Dingen Bellsouth hoch gehandelt, da sie bereits mit Otelo bei E-Plus zusammenarbeitet. Eine Entscheidung soll noch im September getroffen werden.

Zur Viag Interkom hat sich im Frühjahr der norwegische Monopolist Telenor gesellt. Außerdem steht noch ein zehnprozentiger Anteil für einen zukünftigen Partner aus dem Bereich der Distribution bereit. Die Viag Interkom hat mit ihrem Konzept der Integration von Fest- und Mobilfunk zwar ein gutes Verkaufsargument geschaffen, aber man darf nicht vergessen, daß bereits drei Mobilfunknetze existieren. Hinzu kommt, daß die bestehende Infrastruktur lückenhaft ist vor dem Hintergrund, daß in absehbarer Zukunft bundesweit operiert werden soll. Bis die ganze Infrastruktur einmal steht, werden noch einige Jahre vergehen. In der Zwischenzeit wird sich der Carrier mit Zusammenschaltungsvereinbarungen auf der ganzen Linie behelfen müssen. Im Mobilfunkbereich wäre E-Plus der wahrscheinliche Partner, im Festnetzbereich kommen alle Anbieter in Frage.

Allen drei Herausforderern der Deutschen Telekom ist gemeinsam, daß sie viel Zeit verstreichen ließen. Sie hätte effektiver genutzt werden müssen, um die Netze und die Infrastruktur auszurollen. Statt dessen beschäftigten sich die Mitbewerber mit internen Prozessen und kümmerten sich um ihr öffentliches Auftreten. So liefen im ersten Halbjahr riesige Werbekampagnen, wobei dem Kunden nicht viel Konkretes geboten wurde. Ob sich das bis Anfang nächsten Jahres ändern wird, wenn der Kunde dann wirklich frei wählen kann, bleibt abzuwarten. Es ist eher unwahrscheinlich.

(cep)