Adressen im Überfluss

Handys und mobile Geräte brauchen IP-Adressen

Heute zeichnet sich ab, dass der Bedarf an IP-Adressen nochmals erheblich ansteigen wird. Dafür sind in erster Linie Handys und mobile Endgeräte verantwortlich, die über GPRS- oder UMTS-Mobilfunknetze kommunizieren und eine eigene Internetadresse besitzen. Sollte sich der Trend fortsetzen, dass die Zahl der Mobiltelefone weiterhin drastisch steigt und dass Handys künftig zu mobilen Internet-Terminals werden, dürfte der Vorrat an IPv4-Adressen in den nächsten Jahren schneller erschöpft sein als bislang vermutet.

Viele Experten vertreten dennoch die Meinung, dass der Adressbestand bei IPv4 noch einige Zeit ausreichen wird. Das Zauberwort heißt "Network Address Translation" (NAT). Network Address Translators erlauben es, innerhalb interner IP-Netze so genannte private Adressen zu verwenden. Jeder Rechner oder jedes Mobilgerät in einem Firmennetz erhält in diesem Fall eine Adresse, die nur innerhalb dieses Bereiches gültig ist. Deshalb sinkt der Bedarf an "öffentlichen" Adressen. Allerdings wird bei NAT häufig übersehen, dass dieses Verfahren zwar kurzfristig die Adressenknappheit beseitigt, langfristig jedoch die durchgängige Erreichbarkeit von Stationen im Internet, Stichwort "Ende-zu-Ende-Verbindung", torpediert.

Bevor das Internetprotokoll implementiert wurde, kamen so genannte Gateways zum Zuge, um unterschiedliche Netze miteinander zu verbinden (siehe obiges Bild). IP erlaubte es dann allen Endgeräten, direkt miteinander zu "sprechen"; Gateways zwischen den Netzen wurden damit überflüssig. Network Address Translators verhindern nun erneut, dass alle ans Internet angeschlossenen Systeme auf direktem Wege miteinander kommunizieren. Die privaten - und somit nur lokal bekannten - IP-Adressen verhindern, dass jedes Endgerät jeden anderen Teilnehmer erkennt.

Rechner, die sich in einem lokalen Netz befinden, in dem NAT zum Einsatz kommt, können zwar Server im Internet erreichen. Umgekehrt sind Rechner im Internet jedoch nicht ohne weiteres in der Lage, eine Station hinter einem NAT anzusprechen. Der große Vorteil des Internets, dass einfach durch die Installation von neuen Anwendungen völlig neue Nutzungsmöglichkeiten entstehen - Betriebswirte sprechen in diesem Zusammenhang von "positiven Netzwerk-Externalitäten" - geht dadurch verloren. Viele Anwendungen lassen sich nicht oder nur eingeschränkt nutzen. Das betrifft beispielsweise Internet-Telefonie, Videokonferenzen, Peer-to-Peer-Anwendungen, private Chats sowie Server, die auf privaten Rechnern installiert werden, etwa für Spiele. Hinzu kommt, dass Network Address Translators auch IPSec (IP Security) und andere Sicherheitsmechanismen kompromittieren.

geräten, direkt miteinander zu "sprechen" (B). Mit NAT wiederum ist dies nicht möglich, weil viele Stationen IP-Adressen haben, die nur lokal gültig sind (C).

IPv6 ist somit für das Internet weitaus mehr als nur ein Mittel gegen den Mangel an Adressen. Das neue Protokoll stellt sicher, dass das "Ende-zu-Ende-Prinzip" des Internets erhalten bleibt, also dass jedes Endgerät auch künftig mit jedem anderen kommunizieren kann.

Trotz der Vorzüge, die IPv6 - zumindest in der Theorie - bietet, zögern viele IT-Manager, die Netze in ihrem Unternehmen umzustellen. Sie stellen zu Recht Fragen, wie:

- Welche Risiken sind damit verbunden, in einem Netz das bewährte IPv4 gegen die neue Protokollversion auszutauschen?

- Wie lässt sich ein sanfter Übergang bewerkstelligen, und welche Hilfsmittel stehen dafür bereit?

- Ist IPv6 bereits praxistauglich?

Was den letztgenannten Punkt angeht, dürften sich die Bedenken zerstreuen lassen. Die Fachleute, die IPv6 entwickelten, legten von Anfang an Wert darauf, das neue Protokoll in der "Welt draußen" zu erproben. So ist bereits seit 1996 mit dem 6Bone ein weltweites experimentelles IPv6-Netz in Betrieb, in dem Entwickler und Netzbetreiber erste Erfahrungen mit IPv6 sammeln konnten.

In den vergangenen zwei Jahren entstanden zudem zahlreiche neue "IPv6-Inseln". Sie haben teils experimentellen Charakter, teils bieten sie aber bereits kommerzielle Dienste an. So sammelten beispielsweise Carrier und Internet-Serviceprovider, darunter British Telecom (BT), die Deutsche Telekom und France Télécom, im Rahmen von europäischen Projekten wie "Eurescom Armstrong" Erfahrungen mit der Planung, dem Aufbau und dem Betrieb von IPv6-Netzen. Die japanische Internet-Serviceprovider IIJ und NTT gehörten zu den ersten Unternehmen, die kommerzielle IPv6-Dienste anboten. In den USA wird gegenwärtig im Rahmen der 6REN-Initiative (IPv6 Research and Education Network) ein Netz aufgebaut, das Schulen, Universitäten und Forschungseinrichtungen die Möglichkeit eröffnet, sich an ein IPv6-Netz anzuschließen.

Auch die meisten ISPs haben in den vergangenen Jahren damit begonnen, sich intensiver mit IPv6 zu beschäftigen. Zwar bieten bisher erst wenige von ihnen kommerzielle IPv6-Dienste an, doch sind viele Provider bereits auf den Einsatz von IPv6 vorbereitet.