Social Media Recruiting

Abklopfen vor dem Anklopfen

IT-Profis, die sich in sozialen Netzwerken bewegen, sind oft für einen Arbeitsplatzwechsel offen. Unternehmen und potenzielle Kandidaten klopfen sich hier gegenseitig ab, bevor es zu einer offiziellen Bewerbung kommt.

Jeder vierte Arbeitgeber in Deutschland ist in sozialen Netzwerken unterwegs und besetzt jede zehnte Stelle über Xing, Facebook & Co. Die Generation, die mit dem Web aufgewachsen ist, ist dort besonders stark vertreten. Sie lernt ihre Arbeitgeber auf digitalem Wege kennen. Social Media Recruiting ist in der realen Welt angekommen; 2013 suchten schon doppelt so viele Arbeitgeber wie 2010 über diesen Weg nach neuen Mitarbeitern, lautet ein Ergebnis des "Social Media Recruiting Report" von ICR aus Heidelberg.

Bewerber und Unternehmen "tasten" sich vorher ab, bevor es zu einer offiziellen Bewerbung kommt.
Bewerber und Unternehmen "tasten" sich vorher ab, bevor es zu einer offiziellen Bewerbung kommt.
Foto: ag visuell - Fotolia.com

"Social Media Recruiting dient der Ansprache und Kontaktaufnahme mit potenziellen Bewerbern und Arbeitgebern. Die sozialen Netzwerke sind der Treffpunkt, und sie dienen beiden Seiten", sagt Katharina Heuer, Vorsitzende der Geschäftsführung der Deutschen Gesellschaft für Personalführung (DGFP) in Düsseldorf. Beide Parteien würden erwarten, über die digitalen Netzwerke vom anderen ein realistisches Bild zu gewinnen und Informationen zu erhalten. "Viele Unternehmen sind noch in der Anlaufphase und probieren für sie geeignete Wege aus." Das Potenzial dafür sei enorm.

Digitales Rekrutieren erschließt Arbeitgebern auch den latenten Arbeitsmarkt. Damit gemeint sind Menschen, die nicht aktiv nach einem neuen Job suchen, aber einem Wechsel positiv gegenüberstehen. Mit dieser Gruppe verdreifacht sich auf einen Schlag die Zielgruppe. Bei Xing erreichen die Firmen 6,5 Millionen potenzielle Kandidaten, bei Linkedln etwa zwei Millionen, und bei Experteer sind es 1,8 Millionen im deutschsprachigen Raum, heißt es im Report von ICR. Und so manches Mitglied in diesen Netzen wird überrascht sein, wenn plötzlich ein Unternehmen Kontakt sucht, an das er nie gedacht oder von dem er nie erwartet hätte, dass es an ihm interessiert ist.

"Man muss die Social-Media-Plattformen differenziert betrachten", gibt Michael Heidelberger zu bedenken, Vorsitzender des Fachverbands Personalberatung im Bundesverband Deutscher Unternehmensberater und geschäftsführender Gesellschafter der Personal- und Strategieberatung Dr. Richter Heidelberger sowie von Winpeople, einer Beratung für Social Media Recruiting in Stuttgart. Auf den Business-Portalen Xing, Linkedln, Placement 24 und Experteer würden die Mitglieder gezielt nach neuen Jobs fragen.

Auf Facebook und Google+ sei die Klientel aus anderen Gründen anzutreffen. "Hier trifft man sich mit Freunden und Bekannten, um sich auszutauschen - und manche von ihnen sind offen für einen Jobwechsel." Facebook und Google+ sind daher gute Plattformen, um sich über Jobangebote zu informieren. Eine direkte Ansprache einzelner Personen sei jedoch eher über die Business-Netzwerke Xing und LinkedIn zu empfehlen, so Heidelberger. "Die Generation der Digital Natives erwartet, dass die Firmen Kontakt mit ihnen aufnehmen und dass sie klare Informationen über das Unternehmen im Netz finden, die sich mit dem decken, was an anderen Stellen im Internet steht, beispielweise auf der Arbeitgeberbewertungsplattform Kununu." Wenn Digital Natives Interesse haben, wollen sie sich schnell und unkompliziert bewerben können.

Social Media Compliance

So wie die Regelung der privaten Nutzung des Internets in vielen Unternehmen selbstverständlich ist, sollte auch der Umgang mit dem Social Web geregelt sein, meint Carsten Ulbricht, auf Internet und Social Media spezialisierter Rechtsanwalt in der Stuttgarter Kanzlei Diem & Partner. Er hält die strikte Untersagung von Social Media für genauso wenig sachgerecht wie ihre unkontrollierte Nutzung. Ulbricht rät Verantwortlichen aus den Bereichen Recht und Datenschutz dazu, klare Vorgaben für die Präsenz in Social Media zu definieren. Ebenso sollten Prozesse zur Vermeidung und Eindämmung von Reputationsschäden durch Shitstorms festgelegt sein.

Arbeitgeber haben ebenso klare Vorstellungen, was sie an Wissenswertem von einer Person auf Social Media erwarten. "Skills, Erfahrungen, Sprachen und Projekte - daraus können Personaler und Personalberater schnell schließen, welche die besonderen Kenntnisse und Stärken der Kandidaten sind", sagt Heidelberger. Dass nicht über den Arbeitgeber oder Kollegen gelästert werden sollte, ist selbstverständlich. Doch die Gefahr ist eben deshalb groß, weil Facebook & Co. für Privates und Geschäftliches genutzt werden. Diese Mischung macht solche Portale mitunter gefährlich. Dass Unternehmen sich auch auf Facebook-Seiten tummeln, ist für Heidelberger logisch: "Der Bewerbermarkt findet zunehmend in Social Media statt, und je jünger die Zielgruppe für ein Unternehmen ist, umso eher findet sie sich auf Facebook und in anderen Netzwerken." Deshalb müssten Unternehmen umdenken.

Klaus Eck, Social-Media-Berater: "Bewerbung ist schon lange keine Einbahnstraße mehr, in der Arbeitgeber die Richtung vorgeben."
Klaus Eck, Social-Media-Berater: "Bewerbung ist schon lange keine Einbahnstraße mehr, in der Arbeitgeber die Richtung vorgeben."
Foto: ag visuell - Fotolia.com

"Viele Informationen werden schon vor dem eigentlichen Bewerbungsprozess ausgetauscht, und der ist keine Einbahnstraße mehr, in der die Unternehmen die Richtung vorgeben", sagt Klaus Eck, Managing-Partner der Eck Consulting Group in München. Das Unternehmen entwickelt Social-Media-Strategien - auch für Personaler. Die Kommunikation auf den Plattformen müsse kontinuierlich verlaufen, meint Eck. "Ansonsten schläft sie rasch ein."

Personaler lernen von Marketiers

Eck empfiehlt den Personalern, mit den Kollegen aus Public Relations und Marketing zusammenzuarbeiten und in deren Kategorien zu denken. Auch deshalb, weil in Social Media nicht nur Recruiting betrieben wird, sondern auch Employer Branding. "Eine Unternehmermarke zu schaffen, indem man zeigt, wie und was in dem Unternehmen gearbeitet wird und welche Werte gelten, ist digitales Talentmanagement." (hk)