Management Reporting versus Digitalisierungs-Tsunamie

Vor Big Data kommt Business Intelligence

24.09.2015
Von 
Mario Zillmann ist Leiter Professional Services bei Lünendonk und Experte in den Themen Management- und IT-Beratung sowie Outsourcing. Als Analyst und Berater beobachtet er seit sieben Jahren den ITK-Markt und betreut die seit Jahrzehnten als Marktbarometer geltenden Lünendonk-Listen und -Studien zu IT-Beratung und IT-Service, Business Intelligence, Standard Software, Business Innovation/Transformation Partner (BITP) und Technologie-Beratung.
Es ist immer wieder erstaunlich, wie sehr klassische Business Intelligence noch immer ein Topthema ist. Deutlich wird dies an den Investitionsplanungen und dem Status quo im Management Reporting. Unternehmen beherrschen häufig immer noch nicht das Handwerkszeug für BI, aber wie wollen sie dann moderne Prozesse für Big Data & Co. einführen und sinnvoll nutzen?

Kunden, Beratungsunternehmen sowie Softwarehersteller berichten unisono, dass ein Reporting-Prozess, also Datensammlung, Datenaufbereitung und Berichterstellung aus einer Softwaresuite heraus, häufig noch die Ausnahme und nicht die Regel ist. Allerdings ist dabei festzuhalten, dass die Technologie deutlich weiter ist als die Prozesse und Organisationsstrukturen der Unternehmen. Software Tools für ein schnelles, flexibles und ganzheitliches Reporting sind seit Jahren vorhanden. Anbieter wie SAS Institute, Qlik, Exasol, Tableau oder SAP ermöglichen Analysen auf Knopfdruck. Soweit die technischen Möglichkeiten.


Die Unternehmen tun sich aber schwer mit der Implementierung und dem anschließenden Veränderungs- und Anpassungsprozess. Business Intelligence und Business Analytics bewirken auch immer eine Veränderung der Unternehmenskultur und der Arbeitsschwerpunkte.

Probleme haben Unternehmen besonders bei der Datenerhebung, da immer noch mit hohem manuelle Aufwand Kennzahlen und Reports generiert, die Unternehmensstrukturen internationaler und komplexer werden, aber auch andererseits Excel als Reporting-Tool häufig verwendet wird. Eine einzige konsistente Datenbasis, also der Single Point of Truth, kann Abhilfe schaffen, ist aber häufig nicht vorhanden.

Ebenso mangelt es in den meisten Unternehmen an Verständnis für die einheitliche und zentrale Pflege von Stammdaten. An dieser Stelle herrschen immer noch die alten Gesetze und Lager. Das Business möchte tolle innovative digitale Lösungen, um das Geschäft voranzutreiben. Die Integration der Daten, den Datenschutz und das Management der Stammdaten überlassen sie aber immer noch der IT. "Das ist IT-Thema, kümmert uns nicht", hören CIOs und Berater leider viel zu oft aus den Fachbereichen und dem Vorstand. Eine erfolgreiche und nachhaltige Digitalisierungsstrategie kann aber nur gelingen, wenn das Business mit der IT bei solchen Themen endlich eng zusammenarbeitet und sich auch Gedanken über IT-Themen macht. Immerhin nutzen sie ja auch die IT für ihre Ziele.

Kunden investieren in traditionelle Bereiche

Das Ziel eines modernen Management Reportings soll es sein, die wichtigsten Fachbereiche eines Unternehmens integriert zu betrachten, um eine einheitliche Sicht auf das Unternehmen zu gewährleisten. Das ist auch die Grundlage für Big Data Analytics sowie Geschäftsmodelle, die auf der Analyse von Daten beruhen. Eine Lünendonk-Studie hat hier etwas Klarheit gebracht.

Während die befragte Reporting-Verantwortliche und Fachbereichsleiter angaben, dass sie mit den vorhandenen Software Tools Ist-Daten und Vergangenheitsdaten gut analysieren können, besteht hohes Optimierungspotenzial in der Analyse von Zukunftsszenarien. Nur 57 Prozent der Befragten stimmten der These zu "Das Berichtswesen beinhaltet zukunftsgerechte Methoden (Forecasts, Planungsszenarien)".

Auch die Qualität und Aussagekraft der erstellten Reports ist nicht in allen untersuchten Kundenunternehmen zufriedenstellend. In einem Drittel der untersuchten 94 Kundenunternehmen haben die Reports nicht die erforderliche Qualität und Detailtiefe und decken die Unternehmensrealität nicht vollständig ab. Mit der vielbeschworenen Flexibilität im Management Reporting ist es auch noch nicht so gut bestellt. Nur etwa die Hälfte der untersuchten Unternehmen kann flexibel auf kurzfristige Anfragen und Anpassungswünsche reagieren.

Unternehmen planen Automatisierung

Optimierungspotenziale liegen daher vor allem im Grad der Automatisierung und Standardisierung des Berichtswesens. So gaben 27 Prozent der befragten Manager an, die Berichte und Reports häufig mithilfe manueller Eingriffe zu erstellen. Bei weiteren 34 Prozent der untersuchten Unternehmen sind ebenfalls manuelle Eingriffe im Reporting-Prozess notwendig. Nur 39 Prozent berichten, dass ihre Reporting-Prozesse stark automatisiert sind.

Interessant sind die Planungen der befragten Manager hinsichtlich des Soll-Automatisierungsgrads. In zwei Jahren sollen die Prozesse im Management Reporting in 73 Prozent der analysierten Kundenunternehmen in hohem Maße automatisiert sein. Das bedeutet, dass fast 40 Prozent der betrachteten Unternehmen derzeit entsprechende Veränderungs- und Anpassungsprojekte für die Reporting-Prozesse planen.

Zu viel Handarbeit

Diese Maßnahmen sind auch dringend notwendig, denn noch immer verwenden Reporting-Abteilungen zu viel Zeit und zu viele Ressourcen auf einfache und standardisierbare Tätigkeiten. Folglich steht ihnen nicht ausreichend Zeit für wertschöpfende Tätigkeiten wie Kommentierung und Ableitung sowie Nachverfolgung von Maßnahmen zur Verfügung. So werden etwa 65 Prozent der Ressourcen auf die Berichtbereitstellung verwendet. Zu diesem Prozess gehören die folgenden Teilprozesse:

  • Konsolidierung

  • Datenbeschaffung

  • Plausibilisierung und Abstimmung

  • Berichterstellung

Als Zielwert sollten maximal 50 Prozent der Ressourcen auf diese Tätigkeiten entfallen, denn den Reporting-Verantwortlichen bleibt deutlich zu wenig Zeit, die Kennzahlen zu interpretieren und daraus geeignete Maßnahmen und strategische und operative Empfehlungen für das Unternehmen abzuleiten.

Dieser Zustand entspricht nicht der Grundidee des Konzepts von Business Intelligence als Entscheidungsunterstützung des Managements. Vielmehr müssen Abweichungen interpretiert, Ursachen erläutert und Maßnahmen skizziert werden. Gleichzeitig müssen die technologischen Grundlagen für den derzeitigen digitalen Wandel gelegt werden. Unternehmen, die das BI-Handwerkszeug nicht verstehen, werden den nächsten Schritt zur Big Data Analytics nicht schaffen. (bw)